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Flucht aus Somaliland

Arndt Peltner15. Dezember 2015

Mehr als eine Million Menschen sind nach UN-Angaben bereits aus Somalia geflohen - vor Krieg, Terror, Instabilität. Viele wollen nach Europa. Und wer die Region Somaliland verlassen will, hat dazu ganz eigene Probleme.

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Somaliland Straßenszene in der Hauptstadt Hargeisa (Foto: AFP)
Straßenszene in Hargeisa, der Hauptstadt von SomalilandBild: Simon Maina/AFP/Getty Images

Der Weg führt mit dem Geländewagen über Sandpisten, vorbei an Nomadensiedlungen, Kamel- und Ziegenherden. Drei Autostunden dauert die Fahrt von der Stadt Burao im Osten Somalilands bis ins Dorf Xaaxi. Eine Gruppe Jugendlicher sitzt im Schatten eines Baumes. Keiner ist älter als 20 Jahre, und alle wollen nur eines: weg aus diesem kleinen Ort, am besten nach Europa. "Tahreeb" heißt das hier: "Reise mit Risiko". Es gäbe keine Zukunft in Somaliland, sagen die jungen Männer. Es fehlten Jobs, Bildungsmöglichkeiten, eine Zukunft, Hoffnung. Alle hier sind über Facebook mit "Freunden" verbunden, die bereits in Europa sind. Sie berichten von dem neuen und tollen Leben, posten Bilder von eigenen Autos und dem Wohlstand. Auf den Einwand, dass sie nicht alles glauben sollten, was auf Facebook steht, antwortet einer, er glaube lieber seinem "Freund" als einem Fremden.

Schläge und Erpressung auf der Flucht

Der lange und gefährliche Weg nach Europa führt durch Äthiopien, den Sudan bis nach Libyen, von dort über das Mittelmeer, meist mit dem Ziel Deutschland. Schlepper und kriminelle Banden warten auf der langen Strecke auf die Flüchtlinge. Sie wissen, dass somalische Familien ihren Kindern helfen und hohe Lösegeldforderungen zahlen. Es wird geprügelt und gefoltert, bis das Geld überwiesen ist. In Dörfern wie Xaaxi ist jeder von "Tahreeb" betroffen. Eigene Kinder sind schon weg oder planen zu gehen. Eltern haben ihre Häuser verkauft, um Tausende Dollar an Lösegeld bezahlen zu können. Nachbarn und Freunde haben sie finanziell unterstützt.

Das weiß auch Hodan. Die 17-Jährige lebt in Burao, der nächstgrößeren Stadt mit 500.000 Einwohnern. Dreimal schon hat sie sich auf den Weg gemacht, dreimal wurde sie von der äthiopischen Polizei aufgegriffen und zurück geschickt. Sie wollte zu ihrem Bruder nach Italien. Und das, obwohl der bei seiner Flucht von einer Bande aufgegriffen, geschlagen und erpresst wurde. Die Mutter musste schließlich das Vieh verkaufen, um den Jungen freizukaufen. Jetzt sitzt er in Italien in einem Flüchtlingscamp und wartet auf seine Anerkennung. Hodan weiß noch nicht, ob sie es wieder versuchen wird. Eine Zukunft sieht sie in ihrer Heimat allerdings nicht.

Somalia Flüchtlinge - Hodan - Die 17-jährige Hodan aus der Stadt Burao in Somaliland hat schon drei Mal versucht nach Europa zu fliehen (Foto: Arndt Peltner/DW)
Hodan ist 17 und will weg aus SomalilandBild: DW/A. Peltner

Rückkehrer haben Hoffnung

Somaliland erklärte sich 1991 für unabhängig, eine Republik wurde in der einstigen britischen Kolonie ausgerufen. Doch kein Land der Welt erkennt die Republik Somaliland an. Es sei, wie es ein 18-Jähriger in der Runde in Xaaxi erklärt, wie ein großes Gefängnis. Der Ausweis von Somaliland wird nirgendwo akzeptiert, Reisen ins Ausland sind damit nur für Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft möglich. Somaliland hängt wie der Rest Somalias am Tropf der Diaspora, die Jahr für Jahr weit über eine Milliarde Euro in die alte Heimat schickt, mehr als alle Entwicklungshilfe und Direktinvestitionen zusammen gerechnet. Damit werden sogar Infrastrukturprojekte, wie Brücken, finanziert.

Karte Somaliland Somalia Deutsch
Somaliland: de facto unabhängig von Somalia, aber international nicht anerkanntBild: DW

Sucaad Odowa wurde in Hargeisa, der Hauptstadt Somalilands geboren. Nach der Bombardierung der Stadt 1988 durch somalische Regierungstruppen floh ihre Familie über Äthiopien nach England. Sucaad Odowa baute sich ein Leben in London auf, unterstützte aus der britischen Hauptstadt Freunde und Verwandte daheim. 2012 kehrte sie jedoch nach Hargeisa zurück, um hier ein Restaurant zu eröffnen. Ihr habe in London immer etwas gefehlt, sagt die 44-Jährige. Jetzt sei sie hier, um etwas zurückzugeben an den Ort ihrer Herkunft. "Ich habe 23 Angestellte, die jetzt einen Job haben und ihre Familien unterstützen können." Odowa sieht das auch als Zeichen gegen "Tahreeb". Sie will beim Aufbau Somalilands aktiv mithelfen - und hat bereits Pläne, um weitere Restaurants in Hargeisa, in Berbera und in Burao zu eröffnen.

Hilfe von außen

Somaliland ist weitgehend sicher, die Schreckensmeldungen in den westlichen Medien von Bombenanschlägen und dem Terror der islamistischen Al-Shabaab-Miliz kommen meist aus Mogadischu und dem südlichen Teil Somalias. In Hargeisa hingegen spürt man die Aufbruchsstimmung, die vor allem von Rückkehrern getragen wird, die hier investieren. Ein 4G-Mobilfunknetz hat Somaliland an die Welt angeschlossen. Bargeldlos wird alles per Handy bezahlt. Aus der Not der internationalen Isolation hat man ohne Banken und ohne Großinvestoren auf kreative Weise etwas Eigenständiges aufgebaut.

Somalia Flüchtlinge - Care Deutschland Ausbildung Techniker (Foto: Arndt Peltner/DW)
Jobs mit Zukunft: Installateure für SolartechnikBild: DW/A. Peltner

Bildung ist ein Sektor, auf den die demokratisch gewählte Regierung in Hargeisa setzt, um den jungen Leuten eine Zukunftsperspektive zu bieten. Dabei spielt auch internationales Engagement eine wichtige Rolle. Die Hilfsorganisation Care Deutschland zum Beispiel bildet in Zusammenarbeit mit dem Wasserministerium junge Techniker und Installateure aus, die solarbetriebene Pumpen in Dörfern wie Xaaxi instand halten können. Auch unterstützt die Hilfsorganisation mit deutschen Steuergeldern Universitäten und handwerkliche Schulungszentren in Somaliland und dem benachbarten, ebenfalls autonomen Puntland. Die Aktivitäten von Care Deutschland sollen in der Region sogar noch ausgeweitet werden.

Und doch ist da eine ganze Generation, die nicht länger an den Traum ihrer Eltern von der Republik Somalilands glauben will. Die Unabhängigkeit hat für sie einen hohen, zu hohen Preis. Sie kennen nur Krieg, Instabilität und ein Land, dass es eigentlich gar nicht gibt. "Tahreeb" - bleibt für viele die einzige Option.

Arndt Peltner war auf Einladung der Hilfsorganisation Care Deutschland in Somaliland unterwegs.