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PolitikEuropa

Kramatorsk: Kampf um den Donbass

Roman Goncharenko
6. Juli 2022

Nach der Eroberung von Lyssytschansk rücken russische Truppen im Gebiet Donezk vor. In den Städten Slowjansk, Kramatorsk und Bachmut dürfte der Kampf um den ukrainischen Donbass entschieden werden.

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Zerstörtes Hochhaus in Kramatorsk, Mai 2022
Zerstörtes Hochhaus in Kramatorsk, Mai 2022Bild: Aris Messinis/AFP/Getty Images

Im Kampf um den Donbass hat eine entscheidende Phase begonnen. Nachdem russische Truppen die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk erobert haben, ist inzwischen fast das gesamte Gebiet Luhansk besetzt. Die heftigsten Kämpfe toben derzeit im Westen und im Süden der Region. Es geht um die Schlüsselstädte im Gebiet Donezk, die noch unter Kiews Kontrolle sind: Slowjansk, Kramatorsk und Bachmut. Alle drei haben strategische, aber auch symbolische Bedeutung für beide Seiten.

Infografik Karte von russischen Angriffen gefährdete Städte in der Ost-Ukraine DE

Slowjansk: Der Ort, an dem der Krieg 2014 begann

Das beschauliche Slowjansk war außerhalb des Donbass kaum bekannt. Das ostukrainische Provinzstädtchen mit einst rund 100.000 Einwohnern wurde bestenfalls dank seiner Heilquellen in den Medien erwähnt. Das änderte sich im April 2014, als der Ort in die Weltnachrichten katapultiert wurde. Slowjansk wurde die erste ostukrainische Stadt, die lokale Separatisten mit Hilfe russischer Geheimdienste erobert haben. Moskau bestritt damals jegliche Beteiligung. Slowjansk wurde der erste Stützpunkt der prorussischen Separatisten. Warum? Beobachter erklären das mit der Lage - weit entfernt von den Großstädten und damit versteckt und doch nahe an der strategisch wichtigen Fernstraße M03, die von der Hauptstadt Kiew über Charkiw bis an die Grenze zu Russland und dann weiter Richtung Rostow-am-Don führt.

Separatisten in Slowjansk, April 2014
Separatisten in Slowjansk, April 2014Bild: Roman Pilipey/dpa/picture alliance

Damals konnten einige Dutzend bewaffnete Männer das Polizeirevier stürmen, die Verwaltung besetzten und die Stadt unter ihre Kontrolle bringen. An der Spitze: der ehemalige russische Geheimdienstoffizier Igor Girkin, Deckname Strelkow. Girkin erzählte später in zahlreichen Interviews, er und seine Leute seien aus der damals gerade annektierten Krim gekommen. Ähnlich wie zuvor russische Soldaten auf der Krim trugen Girkin-Männer zunächst Balaklavas, Sturmhauben, so dass man ihre Gesichter nicht erkennen konnte. Die Bürgermeisterin von Slowjansk unterstützte die Separatisten und Girkin erklärte sich zum "Verteidigungsminister der Volksrepublik Donezk".

Ukrainische Armee und Geheimdienste versuchten, die Stadt im Rahmen der sogenannten "Antiterroroperation" (ATO) zu befreien. Die April-Kämpfe um Slowjansk waren die ersten im Donbass-Krieg überhaupt. Die Ukraine hatte keinen Erfolg und verlor Soldaten und schweres Gerät, darunter Hubschrauber. Kiew musste in Slowjansk schmerzhaft lernen, Krieg gegen Angreifer im eigenen Land zu führen. Besondres stark gekämpft wurde auf dem Berg Karatschun, um den Fernsehturm dort zu kontrollieren. Die Separatisten schalteten ukrainische Sender ab und russische ein. Die ukrainischen Truppen konnten erst während einer Offensive Anfang Juli 2014 die Stadt vollständig befreien. Girkin und mehr als 1000 Separatistenkämpfer flüchteten nach Donezk. Seitdem ist Slowjansk unter Kiews Kontrolle.

Kramatorsk: Kommandozentrale ukrainischer Truppen

Das benachbarte Kramatorsk ist ein ganz anderes Kaliber. Im Frühling 2014 war es ebenfalls besetzt von Separatisten und - nach rund drei Monaten wieder befreit. Gekämpft wurde unter anderem um einen strategisch wichtigen Militärflughafen, den ukrainische Kräfte halten konnten. Im Herbst 2015 wurde Kramatorsk mit seinen damals rund 150.000 Einwohnern zum Sitz der Verwaltung im Gebiet Donezk, das unter Kiews Kontrolle steht. Ukrainische Staatsorgane aus der Stadt Donezk, die Separatisten besetzt halten, zogen um nach Kramatorsk. Die ukrainischen Kräfte im Donbass haben dort ihre Kommandozentrale aufgeschlagen.

Kramatorsk gilt als einer der wichtigsten Industriestandorte in der Ostukraine. Das größte und wichtigste Werk ist das Nowokramatorsker Maschinenbauwerk (NKMZ), das sich selbst als der "größte Hersteller Europas" im Schwermaschinenbau beschreibt. NKMZ produziert vor allem Anlagen für den Bergbau, Russland war bis 2014 der größte Kunde. Seit dem russischen Einmarsch im Februar 2022 wurde die Produktion gestoppt.

Bahnhof in Kramatorsk nach Raketenangriff am 8. April 2022
Der Bahnhof von Kramatorsk nach dem Raketenangriff am 8. April 2022Bild: Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy's Telegram channel/dpa/picture alliance

Im April stand der Hauptbahnhof von Kramatorsk weltweit in den Schlagzeilen, als dort eine russische Rakete einschlug. Es starben mehr als 50 Menschen, vor allem Flüchtlinge, darunter Kinder, die die Stadt verlassen wollten.

Bachmut: Das Salz der Ukraine

Die dritte besonders wichtige Stadt in der Region heißt Bachmut. Sie liegt an einer Fernstraße, die nach Lyssytschansk führt und als wichtigste Versorgungsroute auch für ukrainische Truppen gilt. 2014 und 2015 wurde dort heftig gekämpft.

Fernstraße von Bachmut nach Lyssytschansk, Mai 2022
Fernstraße von Bachmut nach Lyssytschansk, Mai 2022Bild: Rick Mave/SOPA Images/ZUMA Press/picture alliance

In der Sowjetzeit und bis 2016 hieß die Stadt Artemiwsk, benannt nach einem Bolschewiken. Bachmut ist der historische Name und wurde im Rahmen der sogenannten  Dekommunisierung wieder eingeführt. Auch hier wehten im Frühling 2014 Flaggen der "Donezker Volksrepublik", die ukrainische Armee konnte die Separatisten damals aber vertreiben.

Bachmut mit einst rund 70.000 Einwohnern ist zwar die kleinste von den drei Städten, allerdings ist auch sie wichtig - vor allem für die ukrainische Wirtschaft. Zwei Betriebe haben dabei eine herausragende Stellung. Zum einen ist Artwinery zu nennen, einer der größten Hersteller von Schaumweinen in Osteuropa, bekannt auch im Ausland für seinen Krimsekt. Außerdem ist da Artemsil, ein weltweit bekannter Hersteller von Speisesalz aus der Nähe von Bachmut. Artemsil deckte bis zu 90 Prozent des ukrainischen Salzbedarfs, doch seit dem russischen Überfall wurden Auslieferungen aus Sicherheitsgründen gestoppt. Die Preise für Salz sind deshalb in der Ukraine stark gestiegen. Das Land importiert nun dieses Lebensmittel aus dem Ausland, auch aus Deutschland.

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