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Durchwachsener Machttest

Frank Sieren3. September 2015

Mit der Parade zum 70. Jahrestag des Kriegsendes demonstrierte China sein Selbstbewusstsein und hat die Temperatur bei seinen internationalen Partnern gefühlt. Mit nur gemischtem Erfolg, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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China Militärparade in Peking 70. Jahrestag Ende 2. Weltkrieg Bildergalerie
Bild: Reuters/D. Sagolj

Die 70 Minuten waren durchgeplant bis ins letzte Detail und nichts ging schief. So feierte Peking am Donnerstag die bisher größte Militärparade seiner Geschichte auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Das einzige, was Peking nicht kontrollieren konnte, waren die Zu- und Absagen der Gäste für den "Gedenktag zum chinesischen Volkskrieg gegen die japanische Invasion und zum Sieg im Antifaschistischen Krieg" - so die offizielle Bezeichnung im Einladungsschreiben, das im Vorfeld in die ganze Welt verschickt wurde.

Ausgerechnet auf diesem Platz

Einige im Westen störten sich daran, dass die Parade ausgerechnet dort abgehalten wurde, wo im Sommer 1989 die blutige Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung stattfand. Andere wollten sich nicht gegen Japan instrumentalisieren lassen. Für wieder andere war die Parade die Machtdemonstration eines Ein-Parteien-Staates, der die Menschenrechte seiner Bürger stark einschränkt. Und für die USA ist die Parade vor allem das Symbol der neuen Macht ihres ärgsten Widersachers. Für Washington war klar: Mehr als ihren Botschafter werden sie nicht schicken.

Entsprechend Durchwachsen fiel die Gästeliste aus: 30 Amtsträger waren auf der Ehrentribüne, unter ihnen natürlich der russische Präsident Wladimir Putin, an dessen Militärparade zum 70. Jahrestag des Kriegsendes in Europa Staats- und Parteichef Xi erst vor ein paar Wochen ebenfalls teilgenommen hatte. Putin musste kommen, wollte er doch dem Westen zeigen, dass er noch mächtige Freunde hat. Aber auch die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye war auf der Tribüne zu sehen. Ihr Land hat einerseits enge, auch militärische Beziehungen zu den USA. Anderseits litt Südkorea selbst während des Zweiten Weltkrieges unter der Invasion der Japaner. Interessant auch: Nordkoreas Oberhaupt Kim Jong Un, eigentlich gesetzt, ließ sich durch die Nummer drei des Landes, Choe Ryong-hae, vertreten.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Europa wie immer: uneinheitlich

Klar war, dass Japans Ministerpräsident Abe und Indiens Premier Narendra Modi nicht kommen würden. Die Differenzen mit Peking sind zu groß. Unter den wichtigen europäischen Ländern kamen die Franzosen und die Italiener den Chinesen am meisten entgegen: Laurent Fabius, Außenminister von Frankreich und sein Kollege Paolo Gentiloni aus Italien waren auf der Tribüne. Aber auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon.

Dem chinesischen Außenministerium ist es zudem gelungen, die Liste mit Ehrengästen wie dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, den früheren Premier Tony Blair aus England und sogar dem ehemaligen japanischen Ministerpräsidenten Tomiichi Murayama zu bestücken. Murayama hat sich bisher als einziger Politiker Japans für die Kriegsverbrechen seines Landes in einer Form entschuldigt, mit der Peking leben kann. Japans amtierender Premierminister Shinzo Abe hat hingegen nicht nur abgesagt. Vielmehr hat er erst vor kurzem auch noch dem japanischen Parlament einen neuen Gesetzentwurf zur Ausweitung der Militäreinsätze vorgelegt, um der wachsenden Präsenz Chinas etwas entgegensetzen zu können. Dabei geht es Abe, wie auch der chinesischen Regierung, wie vor allem Xi immer wieder beteuert, darum zum internationalen Frieden beizutragen.

Pragmatische Entscheidung im Kanzleramt

Bundeskanzlerin Merkel konnte sich mit der Parade nicht anfreunden. Sie schickte keinen ihrer Minister, sondern beließ es bei der kleinstmöglichen Lösung: Nur der deutsche Botschafter saß für Deutschland auf der Tribüne. Wahrscheinlich die größte Enttäuschung für die Chinesen. Doch Merkel hat instinktsicher erfasst, dass mit einer Entsendung eines Ministers der innenpolitische Schaden größer wäre als der außenpolitische Nutzen. Denn ohne Deutschland geht es sowieso nicht für China in Europa.

Die Parade war also nicht nur ein Signal der Machtfülle Xi Jinpings, sondern eben auch ein Test, wie sattelfest Chinas Partner sind. Der Test ist für China durchwachsen ausgefallen. Es war kein Desaster, aber auch kein Triumph. Und möglicherweise setzt sich bei einigen in der chinesischen Führung die Erkenntnis durch, dass Militärparaden im 21. Jahrhundert keine gute Methode mehr sind, internationale Partnerschaften auf ihren Wert zu testen.

Unser Korrespondent Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Kenner. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.