Sharon Beck: Zwischen Deutschland und Israel
25. Oktober 2021Deutschland gegen Israel - solche Spiele haben aufgrund der Geschichte der beiden Länder immer eine besondere Bedeutung. Für eine israelische Spielerin wird das WM-Qualifikationsspiel zwischen der Mannschaft von Martina Voss-Tecklenburg und ihrer Auswahl am Dienstag (Anstoß 16.05 Uhr MESZ) in Essen noch mehr bedeuten. Für Sharon Beck wird es ein Spiel zwischen zwei Nationalitäten, zwei Kulturen und letztlich zwei Teilen ihrer Identität sein.
Jüdische Feiertage in Deutschland begehen
Beck wurde in Tönisvorst geboren, am Rande von Krefeld, nur 35 Kilometer von Essen entfernt. Ihr Vater ist Israeli, ihre Mutter Deutsche. "Ich habe von klein auf alle jüdischen Traditionen durch meinen Papa miterlebt, habe alles erklärt bekommen und alle Feste mitgefeiert", erzählt die 26-Jährige der DW. "Das Judentum hat eine sehr bewegende Geschichte und ich bin dankbar dafür, dass ich mit beiden Kulturen aufwachsen durfte." Was zu Hause "völlig normal" war, erwies sich später in vielen Gesprächen als Unterschiedlichkeit von zwei Religionen.
Schon in jungen Jahren entdeckte sie ihre Liebe zum Fußball. Ihr Talent führte Sharon Beck schließlich in die Bundesliga. Nachdem sie zunächst für mehrere Vereine in ihrer Region spielte, unterschrieb sie bei der SGS Essen. Nach weiteren Stationen in Leverkusen, Hoffenheim und Freiburg spielt die Stürmerin heute für den Bundesligisten 1. FC Köln.
Als Profifußballerin kann Beck - anders als in Israel üblich - mitunter wichtige Termine im jüdischen Kalender wie Jom Kippur, den heiligsten Tag des Judentums, nicht wahrnehmen. Jom Kippur - Juden fasten da 25 Stunden lang - ist im laufenden Betrieb schwierig. "Da ich professionell Fußball spiele, kann ich dem Trainer natürlich nicht sagen, wir haben jetzt Yom Kippur und ich bin für zwei Tage raus. Wenn wir aber in Israel sind, halten wir Feiertage ein, wie Schabbat und Chanukka."
Entscheidung für Israel statt Deutschland
2018 wurde sie in den deutschen Kader für den "SheBelieves Cup" in den Vereinigten Staaten berufen. Nach einigen Wochen mit der Nationalmannschaft und obwohl sie Deutschland bereits als Jugendspielerin vertrat, beschloss Beck, dass ihre internationale Karriere woanders weitergehen sollte: in Israel.
"Mir gefällt, wie warmherzig die Israelis sind und das ist ein Grund, warum ich mich in der Nationalmannschaft so wohlfühle. Klar, Israel ist ein kleines Land. Ich werde da nicht den Erfolg haben, wie hier in Deutschland. Aber ich bin kein Status-Mensch oder jemand, dem es nur auf Titel ankommt. Ich achte eher darauf, was mir gut tut und welche Menschen um mich herum sind, ob sie ehrlich sind und wie sie aufeinander zugehen."
Schon auch in die deutsche Auswahl berufen worden zu sein, sieht die Stürmerin als Anerkennung ihrer Qualitäten. "Deutschland gehört mit zu den größten Fußballnationen, und es war auch ein Traum, einmal für die A-Elf nominiert zu werden - deswegen spielt man ja Fußball, damit man zu den Besten in Deutschland gehört oder auch auf der Welt. Ich war dankbar dafür, dass ich eingeladen worden bin. Das war ein Zeichen der Anerkennung. Ich musste mich aber entscheiden, wo ich mich wohler fühle und für wen ich deshalb lieber spielen möchte und das war Israel."
Viele Menschen hätten ihre Gründe nicht verstanden. Auch über den sportlichen Wert der israelischen Auswahl hätten sie und ihre Angehörigen sich nichts vorgemacht. Die Familie habe sich sehr gefreut. "Die haben gesagt, du hast ein unglaubliches Talent, denk drüber nach, mit Deutschland erreichst du definitiv mehr. Sie waren wirklich sehr fair mir gegenüber, sie waren aber dann auch stolz, dass ich mich für Israel entschieden habe."
Beck steht hinter ihrer Entscheidung
Nun treffen alte Mannschaftskameradinnen aufeinander. So wird Beck etwa gegen ihre ehemalige Teamkollegin Giulia Gwinn vom SC Freiburg spielen, die inzwischen bei Bayern München unter Vertrag steht. "Wir haben uns sehr gut verstanden", sagte Gwinn auf einer Pressekonferenz vor dem Spiel. "Ich freue mich sehr, Sharon im Nationalmannschafts-Trikot wiederzutreffen."
Auch Bundestrainerin Martina Voss-Teckelenburg hat eine persönliche Verbindung zu der israelischen Nationalspielerin, da sie Beck schon als junge Kickerin trainiert hat und auch ihre Familie kennt. "Wenn man eine Spielerin so gut kennt, verfolgt man, wohin sie geht und wie sie sich entwickelt", sagte Voss-Tecklenburg.
Antisemitismus hinterlässt Spuren
Während viele Juden in Deutschland inzwischen fürchten, Symbole ihres Glaubens verstecken zu müssen, sagt Beck, sie stehe "fest" zu beiden Seiten ihrer Identität, der jüdischen und der christlichen. Der steigenden Zahl antisemitischer Gewalttaten sei sie sich bewusst. Es sei auch ein Thema innerhalb der israelischen Nationalmannschaft. "Ich finde es sehr traurig, dass es so etwas immer noch gibt und ich kann es nicht nachvollziehen." Persönlich habe sie noch keine negativen Erfahrungen gemacht. "Ich schütze mich aber auch durch meine Art und lasse nichts so leicht an mich heran. Ich habe eine eigene klare Meinung und wehre mich gegen Ungerechtigkeiten."
Ob es um ihre fußballerische Karriere geht, um die Wahl der Nationalmannschaft oder um ihre Herkunft: Sharon Beck ist eine Sportlerin mit einer klaren Haltung.
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.