Sargsjan trotz Protesten neuer Premier
17. April 2018Seit Tagen läuft die Opposition in der Hauptstadt Eriwan Sturm gegen die neuen Machtstrukturen. Auch am Dienstag gingen tausende Menschen auf die Straßen. Demonstranten blockierten eine Reihe von Regierungsgebäuden, darunter das Außenministerium. Die Sicherheitskräfte sperrten Straßen mit Stacheldraht ab. Es wird von 80 Festnahmen berichtet.
"Ich rufe den Beginn einer friedlichen samtenen Revolution in Armenien aus", rief Oppositionsführer Nikol Patschinian seinen Anhängern zu. Die Demonstranten sollten die Arbeit aller Behörden "lähmen". "Meine Generation und ich, wir sind gegen Sersch Sargsjan seine Regierung", sagte zum Beispiel die Studentin Irina Dawtjan auf der Kundgebung. "Er ist seit zehn Jahren an der Macht, und wir sehen alle, dass nichts Gutes dabei herausgekommen ist."
Ungeachtet der Protestaufmärsche wählte das Parlament jetzt den langjährigen Staatschef zum neuen Regierungschef. 77 Abgeordnete stimmten für den pro-russischen Politikveteranen, es gab 17 Nein-Stimmen. Der 63-Jährige, der die einstige Sowjetrepublik zuvor zehn Jahre lang als Staatsoberhaupt geführt hatte, bleibt damit an den Hebeln der Macht.
Zentrale Rolle für den Ministerpräsidenten
Der 2008 erstmals zum Staatschef gewählte Sargsjan war vergangene Woche nach zwei Amtszeiten verfassungsgemäß aus dem Präsidentenamt ausgeschieden. Die regierende Republikanischen Partei stellte ihn dann aber als Kandidaten für das Amt des Premiers auf.
Durch eine umstrittene Verfassungsreform, die im Dezember 2015 per Referendum gebilligt worden war und nun in Kraft tritt, wird das Amt des Ministerpräsidenten deutlich aufgewertet. Das Staatsoberhaupt hat in dem neuen parlamentarischen System vorwiegend repräsentative Aufgaben. Die wahre Macht in der verarmten Südkaukasusrepublik liegt fortan beim Ministerpräsidenten.
Oppositionspolitiker kritisieren, die Verfassungsreform habe lediglich dazu gedient, Sargsjans Verbleib an der Macht zu sichern. Seit Freitag gibt es wieder Proteste. Bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei waren am Montag laut Behörden 46 Menschen verletzt worden, unter ihnen sechs Polizisten und Oppositionsführer Patschinian, der zu den Kundgebungen aufgerufen hatte.
Bereits am Montag hatte der Sprecher der regierenden Republikanischen Partei, Eduard Scharmasanow, die Proteste als "künstlich" bezeichnet. "Das Volk hat bei den Parlamentswahlen seine Wahl getroffen und für die Republikanische Partei gestimmt. Und es ist das Recht der Partei mit der Mehrheit, den Ministerpräsidenten zu wählen."
SC/rb (afp, APE, dpa)