Separatisten starten Großoffensive
24. Januar 2015Die prorussischen Aufständischen in der Ostukraine haben ihre angekündigte Großoffensive mit einem Angriff auf die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol begonnen. Das sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko in Donezk der Agentur Interfax. Zu einem Raketenangriff auf ein Wohnviertel von Mariupol, bei dem nach jüngsten Behördenangaben mindestens 27 Zivilisten getötet und fast 100 verletzt wurden, äußerte er sich nicht.
Nach Untersuchungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurden die Raketen von einem Gebiet aus abgeschossen, das die Rebellen kontrollieren.
Grad-Raketen auf Wohngebiet
Nach Angaben der Stadtverwaltung von Mariupol wurde das Wohngebiet mit Grad-Raketenwerfern beschossen. Ein mehrstöckiges Gebäude sei getroffen worden. Diese Waffensysteme haben eine Reichweite von mehreren Dutzend Kilometern.
Die Hafenstadt liegt etwa 100 Kilometer südlich der Industriemetropole Donezk und 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Das Küstengebiet befindet sich zwischen Russland und der von ihm annektierten Halbinsel Krim. Die Stadt wird nicht von den Rebellen kontrolliert.
Gegeseitige Schuldzuweisungen
Das ukrainische Militär und die Separatisten beschuldigten sich gegenseitig, den Vorort der Hafenstadt am Asowschen Meer beschossen zu haben. Verteidigungsminister Stepan Poltorak sagte, die Armee erwidere Angriffe der Aufständischen. Ukrainische Medien zeigten Bilder von brennenden Autos und einer schwarzen Rauchsäule über dem Vorort.
Präsident Petro Poroschenko berief den Nationalen Sicherheitsrat ein. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk forderte eine Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats zur Lage im Osten des Landes. Die Europäische Union ermahnte Russland in deutlicher Sprache, die moskautreuen Separatisten nicht mehr militärisch, politisch und finanziell zu unterstützen. "Das würde verheerende Folgen für alle verhindern", erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Brüssel. Moskau habe beträchtlichen Einfluss auf die Anführer der Separatisten. Die Italienerin warnte vor einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und Russland.
Vorwürfe an Russland
Die neue Gewalteskalation untergräbt Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des Konflikts. Seit einem Krisentreffen der Außenminister Deutschlands, Russlands, der Ukraine und Frankreichs am Mittwoch in Berlin hat sich die Lage im Bürgerkriegsgebiet verschärft. Zahlreiche Zivilisten wurden getötet. Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats in Kiew, Alexander Turtschinow, warf Russland vor, moskautreue Separatisten bei dem Angriff auf den Vorort von Mariupol unterstützt zu haben. Russland hatte ähnliche Anschuldigungen in der Vergangenheit zurückgewiesen.
Die Aufständischen sprachen von einer Provokation der prowestlichen Führung in Kiew. Sie hätten keine Geschütze mit einer entsprechenden Reichweite in der Gegend stationiert, hieß es. Die OSZE bezeichnete den Angriff auf das Wohnviertel als "schändlich". Die Organisation forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe in Wohngegenden sowie den Abzug schwerer Waffen, wie ihn Vertreter der ukrainischen Führung und der moskautreuen Separatisten in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbart hatten.
OSZE will vermitteln
Die OSZE sei zu Vermittlungen bereit, hieß es. Die Aufständischen hatten neue Gespräche in Minsk jedoch zunächst abgelehnt. Ihr Anführer Alexander Sachartschenko sagte, er wolle nur noch mit Präsident Petro Poroschenko sprechen. In dem Konflikt wurden nach UN-Angaben seit April 2014 mehr als 5000 Menschen getötet.
cr/jj (dpa, afp)