Separatisten behindern Ermittlungen
19. Juli 2014Nach dem mutmaßlichen Abschuss der malaysischen Passagiermaschine mit rund 300 Toten werden Expertenteams aus mehreren Ländern in die Ostukraine reisen, um eine unabhängige Untersuchung des Absturzes sicherzustellen. Am Samstag wird ein etwa 60-köpfiges malaysisches Ermittlerteam in Kiew erwartet. Von deutscher Seite sollen zwei Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) entsendet werden, um zusammen mit Experten aus den Niederlanden bei der Bergung und Identifizierung der Opfer zu helfen, wie das Amt mitteilte. Auch die internationale Polizeiorganisation Interpol teilte mit, ein Team zur Identifizierung der Opfer zur Unglücksstelle zu schicken. Auch die USA und Frankreich entsenden Ermittler.
Ermittler haben nur begrenzten Zugang zu den Wrackteilen
Ein Expertenteam der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie ukrainische Experten sind bereits an der Absturzstelle eingetroffen. Insgesamt seien etwa 170 Helfer und 18 Fahrzeuge im Einsatz, sagte ein Sprecher des ukrainischen Rettungsdienstes. Darunter seien auch Taucher, die einen See absuchen würden. Da die Wrackteile auf einer Fläche von über 25 Quadratkilometern verstreut seien, gestalte sich die Suche nach den Opfern schwierig. Fast 190 Leichen seien aber bereits geborgen worden, so der Sprecher.
Die Ermittler können ihre Arbeit aber offenbar nicht wie geplant erledigen. Sowohl die OSZE als auch die ukrainische Regierung beschwert sich darüber, dass die prorussischen Separatisten ihnen nur begrenzten Zugang zur Absturzstelle gewähren. Der Schweizer Vertreter der OSZE erklärte, dass die Beobachter nach 75 Minuten an der Absturzstelle von bewaffneten Separatisten angeblich aus Sicherheitsgründen aufgefordert wurden, die Unglücksstelle zu verlassen. Auch ukrainische Experten hätten sich nur rund 30 Minuten dort aufhalten dürfen, sagte der Vize-Regierungssprecher in Kiew.
Die ukrainische Regierung beschuldigt die Rebellen, mit Hilfe Russlands Beweismaterial "über dieses internationale Verbrechen" vernichtet zu haben. So hätten die Aufständischen 38 Leichen vom Absturzort weggeschafft und Wrackteile mit Lastwagen über die russische Grenze bringen wollen. Auf diese Weise wollten sie "Beweise ihrer Mitwirkung an dem Unglück vertuschen", hieß es. Eine unabhängige Bestätigung dieser Vorwürfe gab es zunächst nicht. Außerdem soll der OSZE-Forderung, nichts an der Absturzstelle zu verändern, laut einer Sprecherin der Organisation nicht gänzlich nachgekommen worden sein: Überreste von Gepäckstücken seien fein säuberlich aufgereiht worden.
Rebellen kontrollieren die Absturzstelle
Noch kurz zuvor hatten die ukrainischen Sicherheitsbehörden erklärt, sich mit Russland, der OSZE und den prorussischen Separatisten, die das Gebiet kontrollieren, auf eine Sicherheitszone rund um das Wrack geeinigt zu haben. Das dementierte nun der Chef der selbsternannten "Volksrepublik Donezk", Alexander Borodai. Davon sei nicht die Rede gewesen, sagte er. Zwar seien die Separatisten bereit, alles zu tun, um die Sicherheit der Ermittler zu gewährleisten. Da sich die Unglücksstelle aber im Kampfgebiet befinde, könne sich die Lage "jeden Moment ändern", so Borodai weiter.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow und sein US-Kollege John Kerry fordern, dass alle Beweise im Fall des abgestürzten Flugzeugs den internationalen Ermittlern zugänglich gemacht werden müssen. Darüber seien sich beide Minister in einem Telefonat einig gewesen, teilt das Außenministerium in Moskau mit. Beide würden ihren Einfluss auf die Konfliktparteien nutzen, um die Gewalt zu beenden.
Zur Aufklärung des Flugzeugabsturzes wäre eine Feuerpause notwendig. Beide Seiten setzen jedoch ihre Kämpfe mit unverminderter Härte fort. Bei den Gefechten um Luhansk seien allein am Freitag mehr als 20 Zivilisten getötet worden, teilte die Stadtverwaltung mit. Im nahegelegenen Lissitschansk geriet nach Artilleriebeschuss eine Raffinerie in Brand. Die Aufständischen sprachen ebenfalls von Raketenwerfersalven im benachbarten Ort Sewerodonezk.
"Buk" könnte Maschine abgeschossen haben
Bei dem mutmaßlichen Abschuss der Malaysia-Airlines-Boeing am Donnerstag waren alle 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen. Unter ihnen sind auch 189 Niederländer, 28 Australier und vier Deutsche. Die Boeing 77-200 kann nach Ansicht von US-Experten nur von einer hochkomplexen Waffe getroffen worden sein. Wie die Zeitung "Wall Street Journal" schreibt, reichten tragbare Raketen, die von der Schulter abgefeuert werden, nicht aus, ein Verkehrsflugzeug in 10.000 Metern Höhe zu treffen. Das in den 1980er-Jahren entwickelte sowjetische Lenkwaffen-System "Buk" kann dagegen Ziele in Höhen bis zu 25.000 Metern treffen.
chr/qu (afp, dpa)