Sensoren im Feldeinsatz
21. Juni 2014Pflanzenzüchter, Forscher und Vertreter der Industrie diskutieren beim Internationalen CROP.SENSe.net Symposium (vom 29.9. bis 1.10.2014) in Bonn neue und innovative Wege zur Züchtung resistenter und leistungsfähiger Pflanzen.
Der Hintergrund: Um bei wachsender Weltbevölkerung die Ernährung auch in den kommenden Jahrzehnten sicherzustellen, müssen die Agrarerträge wachsen. Soll die Anbaufläche nicht auf Kosten der Umwelt größer werden, geht das nur durch leistungsfähigere Pflanzen und bei intensivem Landbau - darüber sind sich Agrarökonomen weitgehend einig.
Das ist eine Aufgabe für Züchter und Forscher. Damit die Zucht gelingt, setzen diese immer mehr auf technische Unterstützung: Genetische Eigenschaften bestimmter Pflanzen werden durch Gensequenzierung identifiziert (Genotypisierung) und mit dem Wachstumsverhalten der Pflanzen auf dem Feld unter bestimmten Boden- und Klimabedingungen abgeglichen (Phänotypisierung). Dabei sollen dann Pflanzen herauskommen, die auch nach Frost- oder Dürrephasen noch gute Erträge liefern können.
Wie hoch wächst die Gerste?
Für die Phänotypisierung setzen Wissenschaftler immer häufiger Sensoren ein. Was die alles erkennen können, ist auf dem Campus Klein-Altendorf der Universität Bonn zu sehen. Dort ist zum Beispiel ein Traktor mit einer hochgefahrenen Hebebühne im Einsatz: Etwa drei Meter über einem Gerstenfeld sitzt darauf ein Student an einem Laptop. Daran angeschlossen ist ein Kasten mit einem sich drehenden Laserscanner. Der Scanner nimmt ein dreidimensionales Bild des Feldes auf.
"Wir kommen das erste Mal, wenn noch keine Pflanzen da sind, und machen ein hochauflösendes Geländemodell der Oberfläche des Feldes", erklärt Nora Tilli, Geografin an der Universität Köln. "Wenn die Pflanzen anfangen zu wachsen, kommen wir alle zwei Wochen wieder und messen die Oberfläche der Pflanzen. So bekommen wir die Pflanzenhöhe in der Auflösung von einem Zentimeter."
Der Sinn des so entstehenden dreidimensionalen Bildes: Es gilt herauszufinden, welche Pflanzen besonders gut wachsen. Aus der Höhe der Pflanzen leiten die Wissenschaftler deren Biomasse ab. Dazu führen sie noch eine stichprobenartige manuelle Messung durch, um zu prüfen, ob die Ergebnisse auch stimmen. "Man kann dann in den einzelnen Feldstücken sehen: Die Pflanzen auf dieser Seite sind schlechter gewachsen, als die die auf der anderen Seite", erklärt ihr Studienkollege Dirk Hoffmeister.
Was verbirgt sich unter dem Acker?
Ob eine Pflanze auf einem Feldstück gut wächst oder nicht, gibt den Forschern allerdings nur eine von vielen wichtigen Informationen, die sie brauchen, um zu bewerten, welche Zuchtlinien erfolgreich sind. Denn der Boden in einem Acker kann sehr unregelmäßig beschaffen sein. Das wirkt sich dann auch auf Feuchtigkeit und Nährstoffe aus, die der Pflanze zur Verfügung stehen
"Es gibt Unterschiede und dadurch kann es sein, dass der Züchter sagt: 'Die eine Linie sieht besser aus'", schildert Prof. Heiner Goldbach, Agrarwissenschaftler an der Universität Bonn ein typisches Problem. "Dabei liegt es nur an unterschiedlichen Bodeneigenschaften. Deshalb braucht der Züchter mehr Informationen über den Standort, an dem er seine Züchtungen durchführt."
Und die bekommt er zum Beispiel von Stefan Pätzold, der auch in Bonn forscht. Er schaut mit einem Gammaspektrometer in den Boden hinein. Dieser Sensor erkennt natürliche Radioaktivität - wie von Isotopen der Elemente Kalium 40 und Thorium. "Mit dem Gammaspektrometer können wir Aussagen über die räumliche Verteilung dieser Elemente im Boden liefern", sagt Pätzold. "Dann stellen wir über konventionelle Bodenanalysen die Beziehungen zu den Größen her, die uns eigentlich interessieren: Körnung, Ton- oder Sandgehalt."
Interessant ist dieses Wissen über die Bodenbeschaffung vor allem für Winzer. "Für Weinreben ist es in der Züchtung enorm wichtig, auch kleinräumige Heterogenitäten zu detektieren. Es gibt sehr unterschiedliche Resistenzen und Ansprüche der Weinsorten an den Boden", erklärt sein Studienkollege Tobias Hegemann. Zudem verleihen Böden gerade hochwertigen Weinen einen besonderen Wert: "Da gibt es dann die Ansätze: Wie schmeckt welcher Boden? Und: Welche Reben eigenen sich für den Anbau auf welchen Böden?"
Parasitenbefall wird durch Licht sichtbar
Auch für das Auge des Züchters zunächst unsichtbar sind sogenannte Wurzelälchen. Das sind Fadenwürmer, sogenannte Nematoden, die als Parasiten an den Wurzeln zum Beispiel von Zuckerrüben sitzen. Um sie zu finden, müsste man normalerweise die Zuckerrübe erst heraus rupfen. Birgit Fricke von der Universität Bonn lässt sie aber im Boden stecken. Sie kommt ihnen mit einem Spektralsensor auf die Spur. Der kann Lichtwellen von 300 bis 1700 Nanometer länge messen. Blattgrün hat etwa eine Wellenlänge von 550 Nanometern.
"Sonnenlicht, das auf die Pflanze auftritt wird zum Großteil reflektiert. Ein Teil des Lichts durchdringt das Blatt, wird vom Photosynthese-Apparat transmittiert und auch zurückgestrahlt", erklärt Fricke das Prinzip. Je nachdem, welchem Stress die Pflanze ausgesetzt ist, ändert sich das Reflektionssignal. Leidet eine Zuckerrübenpflanze zum Beispiel unter einem starken Parasitenbefall, sieht das Signal anders aus, als bei einer gesunden Pflanze.
"Mithilfe eines Populationsalgorithmus bin ich in der Lage, die spektralen Daten so auszuwerten, dass ich eine Aussage über den Nematodenbefall an der Zuckerrübe treffen kann." So kann die Forscherin im Feld Frühdiagnosen machen, ohne die Zuckerrüben dabei zu schädigen - also nicht-invasiv.
Ihr Ziel ist, die Züchtung resistenter oder toleranter Zuckerrübensorten. Mit Spektralsensoren lassen sich auch Aussagen über das Wachstum der Pflanzen bei unterschiedlichem Nährstoffgehalt im Boden treffen - und noch vieles mehr. Deshalb ist es oft sinnvoll, mehrere Sensoren gleichzeitig zu nutzen.
Daten fließen zusammen
Franz-Ferdinand Gröblinghoff von der Fachhochschule Süd-Westfalen hat deshalb eine Sensorkarre entwickelt. Darauf sind gleich zwei verschiedene Reflektionssensoren angebracht. "Die Daten, die von den Sensoren kommen, füttern wir in ein Programm, wo wir sie sehr schnell weiterverarbeiten können. Vor allem können wir die Daten parzellenscharf erfassen, also einer Parzelle direkt zuzuordnen."
Gröblinghoff gleicht die Messdaten vom Feld später mit den Daten aus der Erntemaschine ab. "Da wird die Erntemenge auf dem Mähdrescher gewogen - das ist ja auch ein Sensor - und der Parzelle zugeordnet. Gleichzeitig kommen dann noch die Informationen über Feuchte und sonstige Informationen zum Erntegut hinzu."
So erhalten die Forscher ein umfassendes Bild: Behandlung, Sorte, Düngung, Bodenbearbeitung und vieles mehr fließen dann in eine gemeinsame Datenbank ein. Ein Züchter, dem diese technischen Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, würde da sehr schnell den Überblick verlieren.
"Ein Züchter wird müde. Spätestens nach zwei Stunden auf dem Feld, bei Hitze, nimmt die Fehlerquote deutlich zu", sagt der Bonner Agrar-Professor Goldbach. "Das wissen auch die Züchter. Die Gefahr, mit falschen Linien weiterzuarbeiten oder gute aus dem Züchtungsprogramm rauszuschmeißen, steigt im Laufe des Tages deutlich an."
Sensoren im Feldeinsatz liefern dagegen objektive Ergebnisse - eine Voraussetzung dafür, dass die Forscher und Züchter in den nächsten Jahrzehnten wirklich etwas für die Ernährungssicherheit der Menschheit tun können.