Selenskyj verkündet erfolgreichen ukrainischen Raketentest
28. August 2024Nach den jüngsten russischen Luftangriffen auf die Ukraine nährt deren Präsident Wolodymyr Selenskyj die Hoffnung der Bevölkerung auf eigene Abwehrwaffen. Die Ukraine habe erfolgreich eine selbst entwickelte ballistische Rakete getestet, sagte Selenskyj in Kiew. Er gratulierte der Rüstungsindustrie zu dem Erfolg, ohne Einzelheiten zu nennen.
Vor wenigen Tagen hatte Selenskyj einen anderen ukrainischen Eigenbau vorgestellt, die Kampfdrohne Paljanytsja mit Jet-Antrieb. Bei der Feuerkraft weitreichender Waffen ist die Ukraine der russischen Armee weit unterlegen. Militärische Erfolge verbucht das von Russland angegriffene Land indes immer wieder mit Drohnenangriffen, zuletzt bei der Attacke auf ein russisches Treibstofflager im südlichen Kreis Kamensk.
Im Gebiet Rostow brennen bereits seit Tagen größere Tanks in der Stadt Proletarsk nach ukrainischem Beschuss. Ebenfalls wegen gesichteter Drohnen stellten die Flughäfen Kasan und Nischnekamsk weit östlich von Moskau zeitweilig den Betrieb ein, wie die Luftfahrtbehörde Rosawiazija mitteilte. Seit Beginn der russischen Invasion im Jahr 2022 nahm die Ukraine wiederholt Öl- und Gasanlagen des Aggressors ins Visier - als Vergeltung für russische Angriffe auf die eigene Energieinfrastruktur.
Grossi: "Gefahr eines Atomunfalls besteht"
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zeigt sich derweil besorgt wegen anhaltender Kämpfe nahe einem Atomkraftwerk in der russischen Grenzregion Kursk. Nur knapp 50 Kilometer von dem AKW entfernt liefern sich russische und ukrainische Truppen derzeit Gefechte. Der Meiler liegt in Kurtschatow am Fluss Seim in der Nähe der russisch-ukrainischen Grenze. Alle vier Reaktoren haben keine Schutzkuppel. Sie gehören zum gleichen Typ wie die Atommeiler des 1986 havarierten AKW Tschernobyl.
"Die Gefahr und Möglichkeit eines Atomunfalls hier in der Nähe besteht", sagte IAEA-Chef Rafael Grossi, der die Anlage inspizierte. Ihm seien Drohnen-Trümmer gezeigt worden, erklärte Grossi vor der Presse; von wem diese stammen, ließ er offen. Das AKW sei extrem verwundbar, etwa durch einen Artillerie-Einschlag, einen Drohnen- oder Raketenangriff. Dass mehrere Reaktoren noch in Betrieb seien, erhöhe die Gefahr zusätzlich.
In der Oblast Kursk wird nach einem überraschenden Vorstoß Tausender ukrainischer Soldaten Anfang des Monats weiter gekämpft. Das AKW ist nur rund 40 Kilometer von der Frontlinie entfernt. Die Ukraine nahm nach eigenen Angaben bei der Offensive bislang fast 600 russische Soldaten gefangen. Rund 100 Ortschaften würden von eigenen Truppen kontrolliert, teilte Armeechef Oleksandr Syrskyj mit.
Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod sprach von Informationen, wonach ukrainische Truppen auch dort einen Vormarsch auf russisches Gebiet planten. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge ist die Lage an der Grenze "schwierig, aber unter Kontrolle". Der regierungsnahe russische Telegram-Kanal Mash berichtete, ukrainische Soldaten versuchten, über den Grenzort Nechotiwka in die Region vorzudringen.
Russen rücken Richtung Pokrowsk vor
Bei russischen Angriffen in der ostukrainischen Region Donezk wurden nach Angaben des örtlichen Gouverneurs mindestens sechs Menschen getötet. Die Soldaten Moskaus rücken immer weiter in Richtung des wichtigen Logistikstandorts Pokrowsk vor. Das russische Verteidigungsministerium meldete die Einnahme des Dorfes Komytschiwka rund 20 Kilometer südöstlich von Pokrowsk. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich kaum unabhängig prüfen.
Die ukrainischen Behörden ordneten umfangreiche Evakuierungen an. Laut Regionalgouverneur Wadym Filaschkin wurden mehr als 2700 Menschen in Sicherheit gebracht, darunter knapp 400 Kinder. In den Nächten auf Montag und Dienstag hatte Russland die Ukraine in einer massiven Angriffswelle mit Raketen und Drohnen beschossen. Es wurden Energieanlagen getroffen und mehrere Menschen getötet.
Der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, berief ein Treffen des NATO-Ukraine-Rates ein. Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow will die Botschafter der 32 Bündnisstaaten per Videoschalte über die Sicherheitslage in seinem Land informieren. Ein NATO-Sprecher teilte mit, die Mitglieder der Allianz seien entschlossen, die Verteidigungsfähigkeiten der Ukraine weiter zu stärken. Wegen der jüngsten russischen Attacken habe die seit längerem geplante Besprechung nun höhere Dringlichkeit.
jj/AR (dpa, afp, rtr)
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