Ukraine und auch Russland melden Geländegewinne
22. August 2024Gut zwei Wochen sind vergangen, seitdem Soldaten der Ukraine in die Region Kursk im Südwesten Russlands einmarschiert sind. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte jetzt mit, er habe das Grenzgebiet der Region Sumy besucht und sich mit dem Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj und dem Leiter der regionalen Militärverwaltung Sumy getroffen. "Eine weitere Siedlung ist unter ukrainischer Kontrolle", so Selenskyj. Demnach stünden dann 91 Ortschaften in der russischen Region Kursk unter ukrainischem Kommando.
Angesichts der Offensive werden in der Region Kursk nun Luftschutzunterkünfte errichtet. "Die Errichtung von Beton-Schutzräumen hat heute begonnen", teilte der Kursker Gouverneur Alexej Smirnow mit. Er veröffentlichte auf seinem Social-Media-Kanal zugleich ein Foto von einem Lastwagen mit einem Beton-Modul. Insgesamt sollten in der Stadt Kursk 60 solcher Schutzunterkünfte an Verkehrsknotenpunkten errichtet werden. Dies solle auch in anderen Städten der Region geschehen, kündigte Smirnow an.
Brjansk und Wolgograd im Fadenkreuz
Und die ukrainische Gegenoffensive geht weiter: Im Fadenkreuz stehen offenbar auch die benachbarte Region Brjansk und der etwas weiter entfernte Oblast Wolgograd. Die Ukraine hat keine eigenen Raketen mit größerer Reichweite. Doch sie nutzt Drohnenschwärme für Treffer gegen russische Militärziele.
Auf einem Militärflugplatz im Gebiet Wolgograd ist russischen Angaben zufolge durch einen ukrainischen Drohnenangriff ein Brand ausgelöst worden. Nach Darstellung von Gebietsgouverneur Andrej Botscharow wehrte die russische Flugabwehr die meisten Flugobjekte des nächtlichen Angriffs ab. Durch den Absturz einer Drohne sei jedoch das Feuer "auf dem Gelände eines Objektes des Verteidigungsministeriums" ausgebrochen. Es habe keine Opfer gegeben.
Bocharow ließ offen, welche Militäreinrichtung betroffen war. Er teilte jedoch mit, dass bei dem Angriff das Dorf Marinowka ins Visier genommen worden sei. Dort unterhält Russland einen Luftwaffenstützpunkt, der etwa 45 Kilometer westlich der Gebietshauptstadt Wolgograd liegt.
Auf dem zivilen Flughafen der Millionenstadt an der Wolga wurde der Flugverkehr wegen der Drohnengefahr zeitweise eingeschränkt, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS meldete. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, es seien in der Nacht zu Donnerstag 28 ukrainische Drohnen abgefangen worden, davon allein 13 über dem Gebiet Wolgograd. Auch in den Regionen Kursk, Rostow, Woronesch und Brjansk wurden nach russischen Angaben Drohnen zerstört.
In Brjansk hatten russische Streitkräfte Behördenangaben zufolge am Vortag das Eindringen ukrainischer "Saboteure" vereitelt. Der Vorfall habe sich am 21. August im Bezirk Klimowski ereignet, der an die ukrainische Region Tschernihiw grenzt, teilte Gouverneur Alexander Bogomaz mit. Die Region Brjansk liegt nordwestlich der Region Kursk.
Trotz der ukrainischen Angriffe auf russische Regionen verlangsamt Russland seine Sommeroffensive in der Ostukraine nicht. Nach wochenlangen Kämpfen haben dort russische Truppen angeblich den kleinen Ort Nju-Jork erobert. Von ukrainischer Seite gab es dazu nur indirekte Eingeständnisse: Der Generalstab in Kiew beschrieb die Lage in seinem Bericht für Nju-Jork bei Torezk nicht mehr als umkämpft.
Noch heftiger waren demnach russische Angriffe im Frontabschnitt Pokrowsk ein Stück südlicher. Die Industrie- und Bergbaustadt im Gebiet Donezk zählte vor dem Krieg etwa 65.000 Einwohner. Pokrowsk ist wichtig für die Versorgung der ukrainischen Truppen an diesem Frontabschnitt.
Deutschlands Kanzler zeigt sich weiter solidarisch
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz geht davon aus, dass der ukrainische Vorstoß in Russland sehr begrenzt bleiben wird. Die Ukraine habe ihre militärische Operation in der Region Kursk sehr geheim vorbereitet und ohne Rückkopplung etwa mit Deutschland, sagte Scholz am Mittwoch bei einem Besuch in der Republik Moldau.
Am Wochenende hatte ein Schreiben aus dem Bundesfinanzministerium in Berlin auch international für Irritationen gesorgt. Demnach wolle Deutschland kommendes Jahr keine Haushaltsmittel über bereits eingeplante vier Milliarden Euro hinaus für die Ukraine-Hilfe zur Verfügung stellen. Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner an Verteidigungsminister Boris Pistorius geschrieben, "neue Maßnahmen" zur Unterstützung der Ukraine dürften nur eingegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen für dieses und die kommenden Jahre "eine Finanzierung gesichert ist".
Der Bundeskanzler betonte jedoch bei seinem Besuch in Moldau erneut, dass sich die Ukraine auf die Unterstützung Deutschlands verlassen könne. "Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie das notwendig ist", sagte Scholz. Moldaus Präsidentin Maia Sandu betonte, die deutsche Hilfe für die Ukraine schütze auch ihr Land.
AR/se (rtr, dpa, afp)