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Schwieriger Dialog

Ayhan Simsek (Adapt. Martin Koch)26. Februar 2013

Bundeskanzlerin Merkel und der türkische Premierminister Erdogan konnten ihre Differenzen bei einigen wichtigen Themen nicht überbrücken. Einig waren sich beide darin, dass sie den "offenen Dialog" fortführen wollen.

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Der türkische Premierminister Tayyip Erdogan (li.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel schreiten eine Militärformation in Ankara ab (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die deutsche Regierungschefin sicherte der Türkei zu, ihre Bemühungen um die Aufnahme in die Europäische Union zu unterstützen. Gleichzeitig drängte sie Ankara, die Beziehungen zu Zypern zu normalisieren. "Wir möchten, dass der Beitrittsprozess voranschreitet, obwohl ich einer vollen EU-Mitgliedschaft der Türkei nach wie vor skeptisch gegenüberstehe", sagte Angela Merkel am Montag (25.02.2013) im Anschluss an die Gespräche mit dem türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdogan in Ankara. Sie betonte, der weitere Verlauf der 2005 begonnenen Verhandlungen hänge maßgeblich von der türkischen Politik im Blick auf Zypern ab. So müsse die Türkei ihre Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus dem griechischen Teil Zyperns öffnen.

Premierminister Erdogan distanzierte sich von Merkels Forderungen mit dem Hinweis, der griechische Teil Zyperns repräsentiere nicht die gesamte Insel, sondern lediglich eine von zwei politischen Einheiten in dem geteilten Land. Zuvor hatte Merkel die Türkei aufgerufen, die mit der EU bestehende Zollunion auf Zypern auszuweiten. Das wäre für die Türkei "weder schlecht noch schwierig", so Merkel, helfe aber, den Weg Richtung EU freizumachen.

Der türkische Premierminister Tayyip Erdogan (li.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: Reuters)
Intensive Gespräche zwischen Merkel und Erdogan in AnkaraBild: Reuters

Die Türkei erkennt die Republik Zypern nicht an, obwohl das Land Mittglied der Europäischen Union ist. Eine Ausweitung der Zollunion auf die geteilte Insel sei erst möglich, wenn sich die Verhältnisse dort umfassend geklärt hätten, so die türkische Position.

Weitere Probleme

Die Zypern-Frage war jedoch nicht die einzige Unstimmigkeit zwischen Merkel und Erdogan. Die Bundeskanzlerin unterstrich die Bedeutung der Pressefreiheit in der Türkei. Sie kritisierte die hohen Freiheitsstrafen für zahlreiche inhaftierte Journalisten, die nach Angaben von Kritikern politisch motiviert sind. Laut dem Komitee zum Schutz von Journalisten (CJP) saßen allein im August vergangenen Jahres 76 türkische Journalisten im Gefängnis.

Doch Erdogan konterte, nur zehn der Inhaftierten seien Journalisten. "Sie sind nicht wegen ihrer journalistischen Arbeit in Haft, sondern weil sie sich an Umsturzversuchen beteiligt, illegale Waffen besessen oder mit Terrororganisationen zusammengearbeitet haben." Das Rechtssystem der Türkei sei unabhängig und das sei zu respektieren, wie es auch in Deutschland der Fall sei, so der türkische Regierungschef.

Merkel sprach auch das Recht auf Religionsfreiheit an. Religiöse Gruppierungen müssten sich in der Türkei - wie in jedem anderen Land auch - frei bewegen dürfen, so ihre Forderung. Während ihres Besuchs traf Merkel sich mit religiösen Führern sowohl muslimischer als auch nicht-muslimischer Minderheiten. Zur Überraschung der deutschen Delegation waren Vertreter der Gemeinschaft der Alawiten in der Türkei auf Wunsch der Regierung nicht zu dem Treffen eingeladen worden. Erst im vergangenen Monat hatte Erdogan Deutschland öffentlich dafür kritisiert, durch die Unterstützung der Alawiten zu einer Teilung innerhalb der Muslime in der Türkei beizutragen.

Schwierige Kurden-Frage

Eines der Schlüsselthemen während ihres Türkei-Besuchs war für Merkel der Kampf gegen kurdische Extremisten der PKK in Europa und Deutschland. "Wir werden mit aller Kraft gegen Terrorismus und gegen die PKK angehen", sagte Merkel und versprach eine engere Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Sicherheitsbehörden.

Kurds living in Greece hold a banner featuring the portrait of former PKK leader Ocalan during a demonstration near the French embassy in Athens on June 27, 2009. Kurds marched to the French embassy demanding the release of the Kurds recently arrested in France for attacks on Turkish targets. AFP PHOTO/ Louisa Gouliamaki (Photo credit should read LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images)
Die Türkei fordert von Deutschland mehr Kooperation im Kampf gegen die PKKBild: AFP

Die in Deutschland lebenden Türken beschrieb Merkel als Brücke zwischen den beiden Ländern. Zu den Beschwerden über die deutsche Gesetzgebung, die ihnen eine doppelte Staatsbürgerschaft verwehre, sagte die Kanzlerin nichts. Auch deutete sie keinen Spielraum in der Frage von Visa-Erleichterungen an, während Erdogan auf seiner Position beharrte und sagte, die Türkei werde mit der EU nur dann ein "Rückübernahme-Abkommen" unterzeichnen und illegale Einwanderer aufnehmen, die über die Türkei nach Europa kommen, wenn die EU gleichzeitig die Visa-Bedingungen für Türken liberalisiere.

Wirtschaftliche Verbindungen

Ungeachtet aller Differenzen in politischen Kernfragen hatte der Besuch für Angela Merkel auch positive Aspekte zu bieten: die wachsenden Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der Türkei und Deutschland. Beide Staatschefs lobten die engen ökonomischen Verbindungen und versprachen weitere Schritte, mit denen die Kooperation zwischen deutschen und türkischen Unternehmen unterstützt werden könne.

Auf dem "türkisch-deutschen Geschäftsführer-Forum" in Ankara lobte Merkel den aktuellen türkischen Wirtschaftsboom und kündigte an, die Zusammenarbeit besonders in den Bereichen Energie und Infrastruktur zu intensivieren, zum Beispiel durch den Bau von Eisenbahnen und Flughäfen.

Deutschland ist für die Türkei der wichtigste Wirtschafts- und Handelspartner. In diesem Jahr rechnen Experten mit einem Handelsvolumen von 30 Milliarden Euro.