1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nachwuchs für die NATO?

Sarah Steffen / ci1. April 2014

Die Annektion der Krim durch Russland veranlasst Schweden und Finnland dazu, Verteidigungsoptionen abzuwägen. Eine Möglichkeit wäre ein NATO-Beitritt. Doch was passiert, hängt von Russland ab, sagen Sicherheitsexperten.

https://p.dw.com/p/1BZ4a
Symbolbild NATO (Foto: Fredrik von Erichsen)
Bild: picture-alliance/dpa

Sollen Schweden und Finnland der NATO beitreten? Die Krim-Krise lässt diese Diskussion wieder neu aufleben - denn ein Beitritt würde die nordeuropäischen Länder vor potenziellen Angriffen Russlands schützen. Ein öffentlicher Aufruf des schwedischen Vize-Ministerpräsidenten Jan Björklund Anfang März war den Diskussionen vorausgegangen: Er forderte die Neuausrichtung der Verteidigung durch einen NATO-Beitritt Schwedens.

Schweden und Finnland beteiligen sich schon seit Langem an NATO-Partnerschaftsprogrammen - legten bislang aber Wert darauf, ihre Neutralität beizubehalten. "Der bloße Fakt, dass es Diskussionen über einen Beitritt gibt, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Putins Verhalten negative Auswirkungen für ihn hat", sagt Charles Kupchan, Professor für internationale Angelegenheiten an der Georgetown University in der US-Hauptstadt Washington und Mitglied des Think Tanks Council on Foreign Relations. "Putin hat die Länder um ihn herum in Angst versetzt, als er die Krim annektierte", betont Kupchan im DW-Gespräch.

Kontroverse Manöver

Doch nicht erst die Krim-Annektion ließ die Diskussion um Schwedens mögliche Verteidigungsstrategie wieder aufflammen: Anfang März hatte Russland eine Militärübung in der Nähe der kleinen schwedischen Ostsee-Insel Gotland durchgeführt. Schweden stationierte daraufhin zwei Kampfflugzeuge auf der Insel. Und schon im vergangenen Jahr hatten russische Flugzeuge für Aufsehen gesorgt, als sie einen Übungsangriff gegen Schweden geflogen waren. Damals meldete die Ostsee-Luftüberwachung der NATO Alarm, während Schweden nicht reagierte.

Ein schwedischer Kampfjet (Foto: AFP PHOTO / FABRICE COFFRINI)
Schweden entsandte Kampfjets, als Russland mit seiner militärischen Übung gefährlich nahe kamBild: Fabrice Coffrinia/AFP/Getty Images

Nach Russlands jüngster Übung argumentierten einige schwedische Sicherheitsexperten, Putin könnte versuchen, Gotland einzunehmen. Doch laut Dick Zandee, Sicherheitsexperte am niederländischen Clingendael-Institut für internationale Beziehungen, wurde dieser Vorfall "von der schwedischen Presse aufgeblasen". Das Argument, es wäre einfacher von Gotland aus in die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen einzufallen, sei haltlos: "Russland grenzt an alle drei Staaten. Das Einfachste wäre also, sie über Land anzugreifen", sagt er im Gespräch mit der DW, fügt aber gleich hinzu, dass er nicht mit einem solchen Manöver rechnet. "Sollten Schweden und Finnland der NATO beitreten, wird Russland nicht darauf reagieren", so Zandee.

Russland sei zwar schon immer gegen die Erweiterung der NATO gewesen, sagt Charles Kupchan, aber: Da Finnland und Schweden nie zu den Sowjet-Satellitenstaaten gehörten, wäre das "nicht so provokativ wie ein Beitritt der Baltischen Staaten oder ein neuer Versuch, die Ukraine und Georgien zu Mitgliedern zu machen."

Wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen?

Experten glauben, dass Schweden und Finnland wenig zu befürchten hätten, sollten wirtschaftliche Sanktionen von russischer Seite kommen: "Russlands Möglichkeiten, starken wirtschaftlichen Druck auf Schweden auszuüben, sind äußerst begrenzt. Zwar bekommt das Land einen großen Teil seiner Gaslieferungen aus Russland, das macht aber nur einen kleinen Teil des Energiebedarfs aus", sagt Erik Brattberg, Experte für internationale Sicherheit beim Think Tank Atlantic Council in Washington, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Finnland wäre zwar etwas abhängiger, doch sollte Russland das Gas abstellen, würden sich die Auswirkungen auch dort in Grenzen halten, betont er.

Neben einem NATO-Beitritt haben Schweden und Finnland noch andere Möglichkeiten, sich abzusichern. Der Politikwissenschaftler Christopher Chivvis von der Johns Hopkins Universität in Baltimore sieht mindestens zwei zusätzliche Optionen: Zum einen könnten die Länder eine stärkere Beziehung zur NATO aufbauen - Schweden hat das bereits getan, indem es wiederholt an NATO-Operationen teilnahm. Finnland könnte diesem Beispiel folgen.

Russlands Präsident Vladimir Putin (Foto: AFP PHOTO / LEHTIKUVA / KIMMO MANTYLA)
Putin hat Russlands Nachbarn in Angst versetzt, so KupchanBild: Kimmo Mantyla/AFP/Getty Images

Eine weitere Möglichkeit wäre, die Kooperation mit Dänemark, Island und Norwegen in der Nordic Defense Cooperation zu verstärken. "Dadurch würden die Länder es vermeiden, Russland durch einen NATO-Beitritt zu verärgern", sagt Chivvis. Und selbst wenn die NATO nicht dazu verpflichtet sei, einem Nicht-Mitgliedsstaat bei der Verteidigung zu helfen, bedeute das nicht, dass das Bündnis im Falle Schwedens - stets ein enger Partner - wegsehen würde. "Ich glaube, im schlimmsten Fall eines russischen Angriffs gäbe es eine ernsthafte Diskussion innerhalb der NATO, was man tun könnte, um Schweden zu helfen."