Putin umwirbt Lateinamerika
30. März 2014Venezuela ist ein treuer Verbündeter Russlands - aus sowjetischen Zeiten. Präsident Nicolas Maduro (links im Artikelbild) lässt mit seiner Kritik an den Sanktionen der USA und der EU keinen Zweifel daran, dass er Russland in der Krim-Krise unterstützt. "Sie wollen Russland umzingeln, um das Land zu schwächen, zu unterdrücken und zu zerstören", sagte er in seiner wöchentlichen Rundfunk-Ansprache am Mittwoch (26.03.2014) - klare Rückendeckung für Putins Handeln auf der Krim. Weniger begeistert ist Venezuela von Russlands Plänen, seine Marine-Präsenz in Lateinamerika durch Zugang zu Häfen in der Region auszubauen. Außenminister Elias Jaua machte deutlich, ausländische Militärstützpunkte seien in Venezuela nicht verfassungskonform.
Ähnlich fiel die Reaktion von Nicaraguas Armeechef Julio Aviles aus. Er tat die Pläne als reine Spekulation ab und stellte klar, dass die Verfassung Nicaraguas lediglich einen Zugang für humanitäre Hilfe oder Übungs-Vorhaben erlaube. Die kubanische Regierung zeigte dagegen kaum eine Reaktion. Auch nicht nach der Landung eines russischen Kriegsschiffs am 27. Februar in Havannas Hafen. Nur einen Tag zuvor hatte Russlands Verteidigungsministerium erklärt, die militärische Präsenz weltweit verstärken zu wollen, sowohl in Lateinamerika als auch in Nordafrika und Asien.
Beklommenes Schweigen
"In einigen Ländern herrscht eine Ruhe, die für sich selbst spricht", sagt Claudia Detsch von der Friedrich-Ebert Stiftung in Argentinien im DW-Gespräch. "Ich glaube schon, dass hier ein gewisses Unbehagen herrscht und viele das als einen imperialistischen Akt der Russen betrachten." Russland sucht Zugang zu Häfen und, in einigen Fällen, zu Luftwaffenstützpunkten, um dort Flugzeuge wieder auftanken zu können. So will es seinen weltweiten Einflussbereich demonstrieren.
"Wenn Sie sich Putins Rede vom Donnerstag (27.03.2014) anhören, wird klar, dass Russland aus seiner Sicht nur als Imperium zu regieren ist", erklärt Russland-Experte Stephen Blank vom American Foreign Policy Council. "Was die Russen in Lateinamerika wollen, ist der Einfluss als Großmacht. Dieses Bestreben haben sie nie aufgegeben."
"Das hat ganz klar mit der Ukraine zu tun"
Die Tatsache, dass Moskau inmitten der Krim-Krise immer weiter versucht, Zugang zu den Häfen seiner Verbündeten zu bekommen, "hat in meinen Augen ganz klar mit der Ukraine zu tun", sagt Detsch. Russland versuche, die Vereinigten Staaten unmittelbar vor ihrer Haustür zu provozieren. "Russland fordert aber auch einen Preis ein für die Hilfen der vergangenen Jahre an seine Verbündeten, was Nahrungs- und Waffenlieferungen einschließt." Möglicherweise sei Putins Politik aber auch eine Antwort auf die Bemühungen der NATO, ihre Präsenz in Osteuropa nahe der russischen Grenze zu stärken.
"Zweifellos ist Russland entschlossen, Marinestützpunkte und Hafenzugänge in Lateinamerika zu suchen", sagt auch Blank. Das Land ziele darauf ab, die Region zu destabilisieren und dabei die traditionelle Anti-US-Stimmung in vielen lateinamerikanischen Ländern auszunutzen.
Blank glaubt, die verhaltenen Reaktionen aus den lateinamerikanischen Ländern seien lediglich Verhandlungstaktik. Schließlich hätten die Russen viel Geld, Einfluss und Macht im Gepäck. "Deshalb ist, was immer die Verhandlungspartner jetzt sagen, sicher nicht das letzte Wort." Waffenverkäufe und Energieexporte seien Russlands Trümpfe in Lateinamerika. Gasexporte in diese Region seien allerdings ein logistischer Albtraum. Stattdessen "kauft Russland Energiefirmen (...) Das meiste Öl Venezuelas zum Beispiel geht an die USA, die Russen würden dann also Eigentümer von einem Teil dieses Öls sein. Sie glauben, dass sie dadurch Einfluss auf die amerikanische Wirtschaft bekommen können", sagt Blank.
In der Zwickmühle
Durch die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine sind die lateinamerikanischen Länder nun in einer Zwickmühle. Zwar sei die Kooperation mit Russland wichtig, doch eigentlich favorisieren die Staaten in aller Regel eine Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten, sagt Detsch: "In Libyen und Syrien waren sie auch gegen eine Intervention."
Brasilien etwa hat deutlich gemacht, dass es mit Russland weiter im BRICS-Forum (Arbeitsgemeinschaft der Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zusammenarbeiten will, drängt aber auf eine politische Lösung der Krim-Krise.
Andere Staaten Lateinamerikas sehen es im Grunde ähnlich. Als allerdings die UN-Vollversammlung Russlands Krim-Annexion am 28.03.2014 mit deutlicher Mehrheit verurteilte, stimmten Kuba, Venezuela, Nicaragua und Bolivien mit Russland gegen die Resolution.
"Sie werden das russische Pferd reiten"
Letztlich sei Russland dazu entschlossen, in der Region zu bleiben, glaubt Blank. Für die lateinamerikanischen Länder brächte das viele Vorteile: "Da sie von ihrem Temperament und ihrer Ideologie her antiamerikanisch eingestellt sind, werden sie das russische - und das chinesische - Pferd reiten, so lange es hinter der Ziellinie einen Topf voll Gold gibt."
Derzeit scheint es, als würde niemand Russland stoppen. Schließlich haben EU und USA Lateinamerika doch im vergangenen Jahrzehnt, wenn nicht noch länger, vernachlässigt. Barack Obamas Amtszeit war eine große Enttäuschung aus Sicht der lateinamerikanischen Regierungen - im Moment herrsche eine große Konzept- und Sprachlosigkeit zwischen den USA und Lateinamerika, sagt Detsch.
"Russland baut sich dort nun ein Nest", sagt Blank. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs hätten viele geglaubt, dass Russland eine neue, westliche Ordnung annehmen würde. "Die Krise in der Ukraine beweist aber, dass Russland nicht integriert sein will. Es will seine Weltmachtstellung wieder herstellen und dabei komplett freie Hand haben."