Schwarze Kunst im Zeitalter der "Black Power"
13. Juli 2017Weiße Farbe leuchtet auf einem pechschwarzen Hintergrund. Zu erkennen sind die markanten, unheimlichen Umrisse der maskierten Anhänger des Ku-Klux-Klans - sie treffen sich in der nächtlichen Finsternis. Das Gemälde "America, the Beautiful" ("Amerika, die Schönheit") stammt von Norman Lewis, einem Mitglied des New Yorker Kollektivs "Spiral". Diese Gruppe aus der afro-amerikanischen Kunstszene macht sich Gedanken um die Rolle des schwarzen Künstlers in Zeiten großer sozialer und politischer Umbrüche in den Vereinigten Staaten.
Sollte der Künstler sich selbst dienen oder der Gesellschaft, der er angehört? Und gab es jemals so etwas wie "schwarze" Kunst? "Es gibt weder eine eindeutige Antwort noch eine eindeutige Einordnung für schwarze Kunst", sagt Mark Godfrey, Co-Kurator der Tate-Modern-Ausstellung "The Soul of a Nation: Art in the Age of Black Power". Die Künstler aus Chicago würden schwarze Kunst etwa anders definieren als ihre Zeitgenossen in Los Angeles.
Das Ghetto ist die Galerie
Im Jahr 1966 gründet sich im kalifornischen Oakland die "Black Panther Party". Sie kämpft für eine bessere Wohnsituation und Bildung in der schwarzen Community und setzt sich gegen polizeiliche Gewalt ein. Der junge Grafikkünstler Emory Douglas, der die Black-Panther-Zeitung illustriert, meint, dass "das Ghetto selbst die Galerie für den revolutionären Künstler bietet."
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Für viele schwarze Künstler, dessen Werke von Mainstream-Galerien ausgeschlossen werden, bietet die Straße tatsächlich den besten Platz für künstlerischen Ausdruck, Inspiration und Mobilisierung. Ein zentrales Beispiel dafür ist die "Wall of Respect", die 1967 von der Organization of Black American Culture (OBAC) in Chicago ins Leben gerufen wurde.
Das weit reichende Wandbild, das die Mauer eines verwahrlosten Gebäudes schmückt, enthält Bilder von schwarzen Helden - ob nun Sportlegenden, Schriftsteller oder Politiker. Es dauert nicht lange, bis ähnliche Wandgemälde in afro-amerikanischen Nachbarschaften in anderen Teilen der USA auftauchen.
Alltagshelden
"Laut OBAC waren die schwarzen Helden nicht nur Berühmtheiten wie Henry Belafonte oder Muhammed Ali, sondern auch Pastoren, Krankenschwestern und Lehrer", erklärt Zoey Whitley, Co-Kuratorin der Ausstellung. Sie macht als Beispiel für die "schwarzen Alltagshelden" auf Emma Amos' "Eva the Babysitter" aufmerksam. Amos war die einzige Frau bei Spiral, so Whitley, und "ein Kindermädchen ermöglichte es, dass Emma Amos viel Zeit im Atelier verbringen konnte."
Jack Whittens "Homage to Malcolm" widmet sich dem Bürgerrechtler Malcolm X. Whitten benutzt einen Afro-Kamm, um die oberste Acrylschicht zu entfernen und die darunter liegenden, helleren Farben in geschickten Mustern freizulegen. Die ungewöhnliche, dreieckige Leinwand erinnert an die Ägyptischen Pyramiden, die Malcolm X während seiner Afrikareise kurz vor seiner Ermordung 1965 besuchte.
Kool-Aid Farben
Im Chicago der späten 1960er Jahre beginnen die Künstler Jeff Donaldson und Wadsworth Jarrell, die Idee einer schwarzen Ästhetik genauer zu untersuchen. Sie erstellen ein Manifest, das unterstreicht, wo sich schwarze Kunst von der westlichen Tradition absetzen soll. Sie bevorzugen zum Beispiel den Gebrauch von sogenannten "Kool-Aid" Farben - wie Kirsche, Orange und Limette - und eine klare, unmittelbare Botschaft.
Whitley verweist auf ein pulsierendes Bild von Carolyn Lawrence, das genau diesen Aspekt illustriert: "Wenn Sie ausdrücken wollen 'Black children keep your spirits free', dann würden Sie genau diesen Satz auch in das Gemälde hineinmalen - und zwar immer und immer wieder."
In Los Angeles fordern schwarze Künstler unterdessen das Eigentum von Objekten zurück, die an ihre Unterdrückung erinnern. Um das zu erreichen, arrangieren sie die Gegenstände mit einer bestimmten Methode, der sogenannten "Assemblage", neu.
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Nach den Watts-Unruhen im Sommer 1965 in Los Angeles sammelt Noah Purifoy Schutt und Überbleibsel von den Straßen und formt sie zu einfallsreichen Skulpturen. Betye Saar stöbert auf den Flohmärkten von Los Angeles nach rassistischen Artefakten - so findet sie zum Beispiel Bilder von Lynchmorden oder Darstellungen von sogenannten "Minstrel Shows", bei denen Weiße mit Blackface als schwarze Stereotype aufgetreten waren. Diese Bilder wandelt Saar um und erschafft so eine neue Sicht auf die "Black Power". "Sie hat sich rassistische Erinnerungsstücke genommen und etwas Ermächtigendes daraus gemacht", sagt Whitley über Saar.
Ein weiteres Kapitel für die schwarze Kunst
Die Tate-Ausstellung zeigt die zahlreichen Facetten schwarzer Kunst im Zeitalter von Black Power. Doch nach zwei Jahrzehnten, in denen die Zwecke und Absichten der schwarzen Kunst wieder und wieder neu definiert wurden: Wie viel politischen und sozialen Fortschritt zieht die afro-amerikanische Künstlergemeinschaft daraus?
"Die Tatsache, dass diese Künstler Teil einer Generation sind, die institutionelle Ablehnung und systemische Unsichtbarkeit thematisieren, muss anerkannt und zelebriert werden", so Whitley. "Ich glaube daran, dass es eine Erfolgsgeschichte ist, aber das heißt nicht, dass das Kapitel abgeschlossen ist. Es bleibt eine fortwährende Angelegenheit."