Schuldenkrise: Lässt China Pakistan Luft zum Atmen?
7. August 2024Pakistan ist pleite. Das südasiatische Land ist hoch verschuldet und seit langem international kaum zahlungsfähig. Erst im Juli erhielt die Regierung ein Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF)in Höhe von sieben Milliarden US-Dollar. Nun führt Islamabad Gespräche mit dem größten Gläubiger China über eine mögliche Umschuldung.
Auf dem Tisch liegen Vorschläge über die Verlängerung der Zahlungsfristen für mindestens 16 Milliarden US-Dollar Investitionen im Energiesektor sowie für einen Barkredit von vier Milliarden US-Dollar. Im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China, die als "China-Pakistan-Wirtschaftskorridor" (CPEC) bekannt ist, haben viele chinesische Unternehmen in Pakistan investiert, vor allem in die staatliche Infrastruktur.
Beide Länder unterzeichneten den CPEC-Vertrag im Jahr 2015. Der CPEC ist einer der größten Bestandteile der chinesischen Seidenstraßeninitiative (Belt and Road Initiative, BRI). Das gesamte Projekt umfasst 65 Milliarden US-Dollar.
Handelskorridor mit arabischen Staaten
China erschließt durch Pakistan einen neuen Handelsweg bis an den Indischen Ozean. Über den pakistanischen Tiefseehafen Gwadar mit einer Betreiberfirma aus China und Karachi verkürzt sich die Route für chinesische Güter in die arabischen Länder signifikant. Umgekehrt werden Handelswaren in die chinesische Westprovinz Xinjiang eingeführt.
In der vergangenen Woche verhandelte der pakistanische Finanzminister Muhammad Aurangzeb in Peking über die Konditionen der Umschuldung. Aurangzeb selbst war ein erfahrener Bankmanager. Bis 2024 war er CEO der Habib Bank (HBL), der größten Bank Pakistans.
Wie die pakistanische Zeitung Dawn berichtete, teilte Premierminister Shehbaz Sharif schon vergangene Woche in einer Kabinettssitzung mit, dass er Peking in einem offiziellen Brief um die Umschuldung ersucht habe. Es gehe lediglich um die Verlängerung der Zahlungsfristen, nicht um die Restschuldbefreiung.
Islamabad steht unter enormem Druck, die teuren Bauverträge mit Energiekonzernen, vor allem chinesischen Unternehmen, neu zu verhandeln, um die Strompreise zu senken. Der Preis für Industriestrom in Pakistan beträgt nach Angaben von GlobalPetrolPrice umgerechnet 0,16 US-Dollar - teurer als Indien und doppelt so viel wie China. Daraus entstehen deutliche Wettbewerbsnachteile.
Energiesicherheit und Schuldenfalle
Zuletzt bauten Firmen aus China neun Kraftwerke in Pakistan. Der von China finanzierte Bau von Kraftwerken habe die wirtschaftlichen Probleme verschärft, meintt Azeem Khalid, Experte für chinesische Investitionen in Pakistan. Es liege am Vergütungsmechanismus.
"Anstatt selbst Kraftwerke zu errichten, hat der Staat Pakistan chinesischen Firmen erlaubt, als unabhängige Stromerzeuger (Independent Power Producers, IPP) zu agieren. Die IPPs werden nach bereitgestellten Kapazitäten bezahlt, nicht nach der tatsächlichen Stromproduktion. Dieser Mechanismus führt im Wesentlichen dazu, dass alle Verbraucher in Pakistan für Strom zahlen, den sie nicht verbrauchen", sagte Khalid.
Daten aus dem Jahr 2022 zufolge steht Pakistan mit 26,6 Milliarden US-Dollar gegenüber China in der Kreide, mehr als jedem anderem Land der Welt. Die Sollzinsen belaufe sich nach Angaben der Ökonomin Safiya Aftab aus Islamabad im Durchschnitt auf etwa 3,7 Prozent pro Jahr. Das sei nicht gerade günstig.
"Diese Kredite wurden in die Infrastruktur investiert, die theoretisch neue Gewinne erwirtschaften sollte. Das Hauptproblem ist meiner Meinung nach, dass Pakistan nicht fähig ist, diese Mengen an Darlehen aufzunehmen. Die Regierung ist zu träge und war nicht in der Lage, die Projekte planmäßig voranzutreiben", sagt Aftab.
Analyst Khalid glaubt, dass die Rückzahlung dieser Kredite aufgrund "exorbitant hoher Zinssätze" die Zahlungsfähigkeit der Regierung überfordern. "Je mehr Flexibilität und je länger die Tilgungsfrist möglich sind, desto besser ist es für Pakistan. China ist sich der finanziellen Schwierigkeiten Pakistans bewusst und verschafft dem Land oft Luft zum Atmen. Aber Peking nutzt diese Schuldenverhältnisse gelegentlich für seine eigenen Zwecke", sagt Khalid.
"China möchte keinen Präzedenzfall"
Analysten zufolge wurden die CPEC-Kredite zunächst als die günstigste Option für die Aufnahmen internationaler Kredite in der pakistanischen Öffentlichkeit dargestellt. Später stellte es sich jedoch heraus, dass die Kosten deutlich höher sind als erwartet.
"Die Kreditverträge waren schlecht verhandelt. Sie begünstigen den Darlehensgeber China stark. Es wurde zu viel versprochen und zu wenig geliefert. Der damalige Planungsminister und sein Team hatten die Öffentlichkeit und die Medien getäuscht. Sie hatten das Projekt CPEC als bedeutenden wirtschaftlichen Wendepunkt für Pakistan und die Region darstellt", sagte Khalid.
Der Ökonom Kaiser Bengali glaubt, dass die Änderung der Zahlungsstruktur für chinesische Schulden "nur eine vorübergehende Lösung" sei, die auch von der Großzügigkeit Chinas abhänge. Die Verlängerung der Zahlungsfristen habe Pakistan aber mehrmals geholfen, die Haushaltskrise zu überwinden, fügt Bengali hinzu.
"Die Schulden gegenüber China sind riesig. Eine Stundung ist die einzige, wenn auch vorübergehende Lösung. Dieser riesige Schuldenberg erdrückt die Wirtschaft", sagte Bengali im Interview mit der DW.
Allerdings wisse man nicht genau, wie viel Zeit Pakistan gewinnen könne. "China gewährt Kredite an viele Länder und möchte keinen Präzedenzfall für die Verzögerung und Neuverhandlung von Projekten schaffen, da dies seinen eigenen Interessen schaden würde."
Rivalität mit Indien
Sowohl pakistanische als auch chinesische Politiker weisen die Kritik zurück, dass das CPEC-Projekt die wirtschaftlichen Probleme Islamabads verschärft habe. Im Gegenteil. Beide Länder sehen Chancen für gemeinsames Wachstum.
Islamabad habe dem CPEC aufgrund "günstiger Finanzierungsvereinbarungen" zugestimmt. "China war bereit, Pakistans Entwicklung zu einem Zeitpunkt zu unterstützen, als ausländische Investitionen versiegt waren", hieß es vom CPEC-Sekretariat, das im pakistanischen Planungsministerium angesiedelt ist.
Aber trotz des IWF-Rettungspaketes lässt sich die Staatsschuldenkrise nicht lösen. Der IWF wird überwiegend von den Industrienationen getragen, um finanzielle Engpässe der Entwicklungsländer zu überbrücken.
"Durch die IWF-Kredite ist Pakistan zwischen China und den USA gefangen. Washington hat davor gewarnt, die IWF-Kredite zur Rückzahlung der zunehmenden Annuitäten an China zu verwenden", sagt Bengali.
Ökonomin Aftab glaubt, dass China einer Umstrukturierung der Schulden zustimmen werde. "Die Großzügigkeit Chinas gegenüber Pakistan ist mit der Rivalität mit Indien begründet. Die kann noch etwas dauern. Aber Peking könnte angesichts der langsamen Projektfortschritte seine Geduld verlieren und anfangen, auf Maßnahmen zu drängen", sagt sie.
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan