Ehrgeiziger Haushalt: Pakistan will mehr Steuern eintreiben
16. Juni 2024Als Muhammad Aurangzeb, Pakistans neuer Finanzminister, diese Woche seinen ersten Haushalt im Parlament vorstellte, betonte er, dass Pakistan ein Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent anstrebe. Dafür sei es erforderlich, die Zahl der Steuerpflichtigen zu erhöhen, um zu verhindern, dass jene, die bereits Steuern zahlen, übermäßig belastet werden. Ziel seines Haushalts ist es, eine gerechte Verteilung der Steuerlast zu gewährleisten und gleichzeitig das gesetzte Einnahmeziel zu erreichen.
Laut Aurangzeb ist die Inflation auf 12 Prozent jährlich gefallen. Inmitten seiner schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten kämpft Pakistan mit galoppierenden Preissteigerungen. An ihrem höchsten Punkt überschritt die Inflation im vergangenen Jahr die 40-Prozent-Marke. Dies führte zu wütenden Protesten der Bevölkerung, die sich viele lebensnotwendige Güter kaum leisten kann.
"Jetzt sind wir auf dem richtigen Weg", beschied Aurangzeb und fügte hinzu, dass sich Pakistan das ehrgeizige Ziel gesetzt habe, 13 Billionen pakistanische Rupien (41 Milliarden Euro) in Steuern einzusammeln, 40 Prozent mehr als im aktuellen Steuerjahr.
Doch bei der Erhebung von Steuern steht Pakistan noch immer vor erheblichen Herausforderungen. Große Teile der wirtschaftlichen Aktivität erfolgt noch immer informell und wird nicht erfasst. Dies hat Auswirkungen auf die finanzpolitische Stabilität und das Wachstum.
Kein Aufatmen für Menschen in Armut
Während die Kosten für essenzielle Güter noch immer steigen, zweifeln viele Menschen in Pakistan daran, dass der Haushalt wirkliche Veränderungen bewirken wird.
Shahnaz Akhter arbeitet als Haushaltshilfe in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Sie kritisiert im Gespräch mit der DW, dass der neue Haushalt ihr Leben schwerer machen wird. "Die Preise für täglich benötigte Grundnahrungsmittel sind auf den Märkten von Woche zu Woche gestiegen. Es gibt keine Vorschriften, mit denen das kontrolliert und das Leben der einfachen Menschen erleichtert werden könnte", sagt die 45-Jährige, die sechs Kindern alleine aufzieht. Frustriert beklagt sich Akhter, dass die vorherige Regierung nichts für die Menschen getan habe, die in Armut leben.
Schwerpunkt Besteuerung
Unter den Analysten gibt es einige, die mit Akhter übereinstimmen, dass der Haushalt einfachen Menschen nur wenig Entlastung bietet. "Der Haushalt wird den Menschen keine Erleichterung bringen. Er legt den Schwerpunkt stark auf Besteuerung", meint Safiya Aftab, Volkswirtschaftlerin aus Islamabad. Sie beschreibt ihn als schwierigen Haushalt in schwierigen Zeiten. Ihrer Meinung nach wurden die Armen von einer pakistanischen Regierung nach der anderen benachteiligt. "Die Preise für Waren steigen in den Haushalten immer und steigern somit die Steuerbelastung für die Armen, hauptsächlich über die Energiepreise und die Stromtarife", fügt sie hinzu.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Die Kosten für Güter des täglichen Bedarfs steigen in Pakistan und so sieht der neue Haushaltsplan auch eine Gehaltserhöhung für Regierungsbeschäftigte vor. Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein mögliches Rettungspaket werden derzeit fortgesetzt.
Analysten weisen darauf hin, dass der aufgestockte Haushalt von jetzt rund 63 Milliarden Euro – im vorherigen Finanzjahr waren es noch knapp über 43 Milliarden – darauf ausgelegt ist, die Kriterien für die Zuteilung eines umfangreichen Kredits durch den IWF zu erfüllen. Die Regierung hofft, zwischen 5,5 und 7,5 Milliarden Euro zu erhalten. Diese Finanzspritze ist unentbehrlich, um die Wirtschaft zu stabilisieren, insbesondere nachdem Pakistan 2023 in Gefahr geraten war, seine Auslandsschulden nicht bedienen zu können.
"Pakistans Haushaltsplan wird zur Haushaltskonsolidierung beitragen und entspricht im Großen und Ganzen den Richtlinien des IWF", bestätigt Mohmmed Sohail, Geschäftsführer von Topline Securities, einem Finanzdienstleister in Karachi. "Obwohl das Steuereinnahmenziel hoch angesetzt ist, sind wir überzeugt, dass die neuen Steuermaßnahmen Pakistan in die Lage versetzen könnten, sich den Schätzungen für das Primär- und Steuerdefizit anzunähern."
Die Tücken der Schattenwirtschaft
Nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen in Pakistan trägt zum Haushalt bei. Das liegt zum Teil an der Bestechlichkeit von Steuerbehörden und Unternehmen. Von 100 Rupien, die in Steuern eingezogen werden, erreichen lediglich 38 die Staatskasse. Die anderen 62 teilen sich laut einem Artikel in der "The Express Tribune" vom Dezember 2023 Steuerzahler, Finanzbeamte und Steuerberater. Ein großer Teil des möglichen Steuereinkommens wird also nie eingetrieben.
Die Analystin Aftab betont, dass es keine gute Strategie sei, die Steuern für einige wenige Gruppen zu erhöhen, während in großen Teilen der Wirtschaft gar keine Steuern erhoben werden: "Entweder versuchen die Menschen, die Steuern zu umgehen oder sie verlagern ihre legitimen Geschäfte in den Untergrund oder die Schattenwirtschaft."
Neue Chance für die Wirtschaft?
Pakistan möchte seine Wirtschaft, die aufgrund der politischen Instabilität in den vergangenen Jahren eine lang andauernde Rezession durchlebt hat, wiederbeleben. Im letzten Jahr entging das Land nur knapp der Zahlungsunfähigkeit. Der Wert der Rupie war gegenüber dem Dollar abgestürzt und die Devisenreserven hatten so stark abgenommen, dass die Einfuhren stark eingeschränkt wurden.
"Bei diesem Haushalt geht es nicht um wirtschaftliche Stabilität, es geht darum, dem IWF zu zeigen, dass die Regierung entschlossen ist, wirtschaftliche Reformen durchzusetzen", sagt Sozialwissenschaftler Abid Qaiyum Suleri. "Im Grunde soll es dazu dienen, die Verhandlungen mit dem IWF-Programm für den nächsten erweiterten Kredit zu beginnen."
Welchen Erfolg Pakistans Haushaltsplan haben wird, dürfte aber vor allem davon abhängen, wie wirksam er umgesetzt wird und ob die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Steuererhebung, der Schattenwirtschaft und der wirtschaftlichen Stabilität bewältigt werden.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.