Schockstarre in Gambia
18. Januar 2017Ein Dutzend junger Leute hat sich in Gambias größter Stadt Serrekunda an einem geheimen Ort getroffen, um Aktionen zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Adama Barrow zu planen. Im ganzen Land wollen sie die Jugend mobilisieren, eifrig werden die Ideen notiert: T-Shirts müssen gedruckt, Busse gebucht werden.
Plötzlich geht die Tür auf. "Macht das Radio an", ruft ein sichtlich nervöser junger Mann. Dort wird der Ausnahmezustand verkündet - gültig ab sofort für 90 Tage. Präsident Yahya Jammeh will so die Amtsübergabe an Adama Barrow verhindern, der im Dezember zum neuen Präsidenten gewählt wurde.
Jammeh, seit 22 Jahren im Amt, erkannte seine Wahlniederlage zunächst an und gratulierte Barrow. Einige Tage später änderte er seine Meinung und forderte Neuwahlen. Der Oberste Gerichtshof Gambias solle darüber entscheiden, lautete sein Vorschlag. Doch Jammeh hatte selbst vor einigen Jahren zahlreiche Richter geschasst, weil sie ihm nicht genehm waren. Der einzige verbleibende Richter kann und will nicht allein entscheiden. Jammeh's Bitten um Richter aus Sierra Leone und Nigeria wurden abgelehnt; frühestens im Mai gebe es wieder Kapazitäten. So lange will Jammeh sich jetzt an die Macht klammern.
"Ich habe Angst um mein Land"
"Für uns ist die Nachricht ein Schock. Dass die Regierung den Ausnahmezustand verhängt hat, ist traurig und unverantwortlich", sagt ein Mitorganisator des Jugend-Treffens. Keiner der Teilnehmer weiß zunächst, was der Ausnahmezustand bedeutet. "Wir erwarten, dass uns die internationale Gemeinschaft aus dieser gefährlichen Situation hilft", fordert der junge Mann. Und eine junge Frau fügt hinzu: "Aber wenn jetzt das Militär mobilisiert wird, habe ich wirklich Angst um mein Land."
In einer Ansprache im staatlichen Rundfunk hatte Jammeh angekündigt, dass die Sicherheitskräfte für Frieden und Ordnung im Land sorgen würden. Und er sagte auch: "Während des Ausnahmezustands werden die zivilen Rechte voll respektiert." Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch appelliert an den Präsidenten, sich daran zu halten - denn die Regierung habe Menschenrechte in der Vergangenheit regelmäßig ignoriert: "Die Afrikanische Menschenrechtscharta erlaubt es auch während eines Ausnahmezustands nicht, Rechte zu beschneiden", sagt Daniel Bekele von Human Rights Watch.
Militärinvasion immer wahrscheinlicher
Am Mittwoch verkündete das gambische Parlament, dass die Amtszeit des Präsidenten im Rahmen des Ausnahmezustands um 90 Tage verlängert werde. Es ist unwahrscheinlich, dass die Opposition das akzeptiert - sie behaart weiter auf die Amtseinführung von Adama Barrow am Donnerstag. Eine mögliche Militärintervention der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS wird immer wahrscheinlicher.
Tausende Touristen - vor allem aus Großbritannien und den Niederlanden - verlassen unterdessen das Land. "Ich bin das erste Mal in Gambia und erst gestern angekommen - und jetzt werden wir evakuiert", klagt eine Britin. Große Reiseveranstalter haben leere Flugzeuge nach Gambia geschickt und bringen die meisten Gäste noch heute zurück. Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Gambia - und das Land ist mitten in der Hochsaison. "Tausende Gambier werden jetzt ihre Jobs verlieren", sagt ein junger Hotelangestellter, während seine Gäste in einen Bus zum Flughafen steigen. "Das ist ein sehr trauriger Tag für uns."