Mangelnde Krankenhaushygiene
11. Januar 2017Deutsche Welle: In Deutschland gibt es noch immer zu wenige Hygienebeauftragte. Hätte man das nicht schon vor langem ändern müssen?
Prof. Martin Exner: Da rennen Sie bei mir und auch bei der Bundesärztekammer absolut offene Türen ein. In Holland gibt es eine Ausbildung von Mikrobiologen und Hygienikern, und wir haben letzten Endes viele, viele Lehrstühle in Deutschland geschlossen. Man hat so den Eindruck, dass die Hygiene immer als kleines Fach angesehen wird, das sie im Grunde aber nicht ist. Das Wissen um die Hygiene braucht jeder Arzt, jede Krankenschwester, letzten Endes auch die Patienten. Auch sie müssen wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Deshalb muss man die moderne Hygiene auch im Studienplan entsprechend berücksichtigen.
Diese Fachrichtung gab es aber doch auch in Deutschland.
Innerhalb von 20 Jahren sind von 30 nur noch zehn Fakultäten übrig, die einen eigenen Lehrstuhl für Hygiene haben. Die Politik hat das auch als Problem erkannt und unterstützt die Ausbildung von Ärzten in Hygiene. Aber wir brauchen an den Universitäten Einrichtungen, in denen die Ärzte entsprechend ausgebildet werden. Es wurde sogar ein Gesetz erlassen, wonach jede Einrichtung - wenn sie einen Facharzt für Hygiene ausbildet - pro Jahr 30.000 Euro bekommt.
Warum werden beispielsweise in den Niederlanden so viel weniger Menschen mit Krankenhauskeimen infiziert als in Deutschland?
Die Niederländer haben andere, stringentere Regeln. Sie haben auf der anderen Seite aber auch ein anderes Gesundheitswesen. Da ist die ambulante Versorgung wesentlich stärker ausgeprägt. Während man in Deutschland sehr viele Patienten auch in der Klinik behandelt, werden sie in Holland öfter ambulant versorgt. Holland hat sehr restriktive Vorgaben, was die Aufnahme von Patienten ins Krankenhaus anbelangt.
Wenn zum Beispiel Patienten, die aus dem Ausland in einem holländischen Krankenhaus behandelt werden müssen, im Krankenhaus eintreffen, dann wird ein Abstrich gemacht und es wird geschaut, ob eine Besiedlung mit MRSA vorliegt, also mit den Antibiotika-resistenten Erregern von Wundinfektionen. Bis das Ergebnis vorliegt, werden diese Patienten zunächst einmal isoliert.
Ein weiteres Problem ist offenbar, dass viele Labore nicht direkt an die Kliniken angeschlossen sind so wie beispielsweise in den Niederlanden.
Das ist richtig. Das ist sicher ein gravierender Unterschied. Die entsprechenden Laboratorien arbeiten durchaus hervorragend, aber was notwendig ist: Man braucht eine intensive Kommunikation zwischen den Kliniken und den Laboren. Wir machen hier gemeinsam mit den klinisch tätigen Kollegen regelmäßig Begehungen, mit den Kollegen der Mikrobiologie und unserer Krankenhaushygiene, um Probleme vor Ort zu besprechen.
Wären länderübergreifende Netzwerke eine Lösung?
Es ist sicher eine der Grundforderungen, dass man hier auch ein Netzwerk von Hygiene-Instituten schafft, die auch auf regionaler Ebene eine unterstützende Funktion haben. Wenn es etwa mal zu Ausbrüchen kommen könnte, die über die Möglichkeiten eines einzelnen Krankenhauses hinausgehen. So etwas hat man mit Erfolg in beispielsweise in Frankreich eingeführt. Dort gibt es auf regionaler Ebene so genannte krankenhaushygienische Zentren. In der Regel sind sie an die Universitäten angeschlossen.
Gibt es derartige Zusammenschlüsse schon?
Wir haben zum Beispiel das Netzwerk Rhein-Ahr, wo Städte wie Köln, Leverkusen, Bonn, der Rhein-Sieg-Kreis und andere mit den Gesundheitsämtern und mit den Krankenhäusern der Region zusammengeschlossen sind. Es ist ein Netzwerk, das die Funktion hat sowohl die Kliniken als auch Altenpflegeinrichtungen, Laboratorien, und auch die niedergelassenen Praxen zu beraten bzw. gemeinsame Leitlinien zu entwickeln, so dass die Hygiene nicht nur von oben verordnet wird, sondern wirklich gelebt werden kann.
Professor Martin Exner ist Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit am Universitätsklinikum Bonn
Das Interview führte Gudrun Heise