Schlagabtausch zwischen Putin und Medwedew
25. März 2011Die vom UN-Sicherheitsrat abgesegnete Militäraktion zum Schutz der Gaddafi-Gegner wird zur Belastungsprobe für das Tandem Medwedew-Putin. So jedenfalls scheint es auf den ersten Blick. Premierminister Wladimir Putin hatte die Militäraktion in Libyen mit "mittelalterlichen Kreuzzügen" verglichen. Diesen Vergleich bezeichnete Präsident Dimitrij Medwedew als nicht hinnehmbar. Medwedew machte klar, dass er die Resolution für richtig halte. Im UN-Sicherheitsrat hatte sich Russland zwar bei der Abstimmung enthalten, doch damit stillschweigend der Entscheidung des Sicherheitsrates zugestimmt.
Die innerrussische Debatte hat sich verlagert
In der innerrussischen Debatte haben die Meinungsverschiedenheiten des Regierungs-Tandems Medwedew-Putin dazu geführt, dass sich die Debatte verlagert hat: Nicht die russische Position zu Libyen steht im Vordergrund, sondern das Verhältnis zwischen den beiden. Der Politologe Wladimir Prilowskij ist der Ansicht, dass die aktuelle Diskussion Teil des großen politischen Spiels Wladimir Putins ist. Was auch immer die russische Verfassung besage, faktisch sei es Premier Putin, der die Außenpolitik bestimmt.
Für sein Image im Westen gebe Putin den Friedensstifter. Daher habe sich Russland im Sicherheitsrat enthalten und nicht dagegen gestimmt. Doch gebe es bei den Russen seit dem Jugoslawien-Krieg eine starke Mehrheit von Gegnern einer US-amerikanischen und westlichen Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder. Prilowskij ist überzeugt: "Wie auch immer die verschiedenen Akteure im Kreml darüber denken, sie müssen das Vorhandensein einer solchen öffentlichen Meinung bedenken." Andererseits habe Moskau von Anfang damit gerechnet, dass es so oder so zum Waffengang kommen werde. Sollte es dadurch zu einem höheren Ölpreis kommen, würde Russland profitieren. Gegenüber dem eigenen Volk könne man den Krieg trotzdem offiziell scharf verurteilen, glaubt der Experte.
An die Adresse des eigenen Wahlvolkes
Die Äußerungen Wladimir Putins seien nicht primär an die Adresse des Westens gerichtet, sondern an das eigene Wahlvolk, glaubt auch der Präsident der Stiftung Petersburger Politik, Michail Winogradow. Er sieht eine neue Qualität in der innenpolitischen Debatte. "Ich glaube, das Wichtigste, was wir in der Polemik zwischen Medwedew und Putin sehen, ist ganz klar eine innenpolitische Veränderung, eine merkliche Verschiebung der Grenze des Erlaubten auf dem Feld der öffentlichen Diskussionen zwischen Präsident und Premier."
Putin im Vorteil in der öffentlichen Meinung
Der Moskauer Politologe Sergej Tschernjachowskij hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg: "Medwedew denkt immer weniger an die Vertretung der Interessen Russlands als daran, wie er in den Augen des Westens dasteht. Ich bin kein besonders großer Freund Putins, aber ich denke, dass es besser ist - sagen wir - einen Diktator zu haben, der die Interessen des Landes ausdrückt, als ein naives Schoßhündchen." Das zudem nach Meinung Tschernjachowskijs anderen Staaten zu sehr zu Diensten ist.
Weit weniger radikal ist die Ansicht des Politologen Dmitrij Orlow. Er glaubt, dass es genau besehen kaum Dissens im russischen Regierungstandem hinsichtlich des Libyen-Kurses gibt. Er hält den Konflikt für künstlich aufgebauscht. Es gebe Kreise, die Interesse daran hätten, Dissens zwischen Medwedew und Putin aufzuzeigen. Die Position des Präsidenten sei die größerer Offenheit gegenüber dem Westen, die des Premiers ist eine schärfere Abgrenzung. "Ich denke, Putin hat recht, wenn er sagt, dass die Resolution des Sicherheitsrates nicht alles allen erlauben kann. Sie müsste vielmehr konkrete Maßnahmen und konkrete Ziel enthalten", findet Orlow. Also kein Dissens beim Libyen-Kurs, sondern lediglich unterschiedliche Wege, um ans Ziel zu kommen. Glaubt man den Politologen, dann sitzt das Tandem Medwedew-Putin noch fest im Sattel.
Autor: Jegor Winogradow / Birgit Görtz
Redaktion: Hans Sproß