"Nepo" patzt, Carlsen zieht davon
5. Dezember 2021Der Bauernzug 21. … b5 dürfte Jan Nepomniachtchi noch so manche schlaflose Nacht bereiten. Denn kaum hatte Russlands WM-Hoffnung den Zug in der achten Runde ausgeführt, war klar, dass es sich um einen der schlimmsten Fehlzüge in der langen Geschichte der Schach-Weltmeisterschaften handelte. "Das tut weh", gab ein gefasst wirkender Nepomniachtchi bei der anschließenden Pressekonferenz zu.
Titelverteidiger Magnus Carlsen brauchte in der Partie nur wenig Minuten, um zu sehen, dass er den ominösen Bauernzug mit einem simplen Zwischenschach kontern konnte - und dann praktisch schon auf Gewinn stand. "Durchgedreht!", lautete die Einschätzung von Fabiano Caruana, dem US-amerikanischen WM-Herausforderer von 2018. Er könne sich nur bei seinen Fans entschuldigen, meinte Nepomniachtchi nach der Partie: "Ich habe unter dem Level eines Großmeisters gespielt."
Vorsprung kaum noch aufzuholen
Bereits am Freitag hatte Carlsen seinen Gegner in einer spannungsreichen, 136 (!) Züge langen Partie niedergerungen. Nach dem nächsten, unerwartet einfachen Sieg zwei Tage später liegt der norwegische Titelträger nun mit zwei Siegen klar vorne. Eine "riesige" Sache sei das, sagte Carlsen bei der Pressekonferenz, "aber ich bin jetzt richtig müde".
Jan Nepomniachtchi bleiben nur noch sechs Runden, um den Vorsprung des Norwegers aufzuholen. Das wird schwer. Denn Magnus Carlsen hat bisher keine Schwächen gezeigt und hat Routine: er steht zum fünften Mal in einem WM-Finale.
Ein Comeback des angezählten Russen erscheint in dieser Situation kaum möglich. "Das ist nicht meine erste Niederlage, aber eine meiner schlimmsten", sagt Nepomniachtchi, "aber es ist nicht das Ende der Welt." "Nepo", wie in seinen vielen Fans in der Schach-Szene nennen, wird jetzt ein noch größeres Risiko eingehen und hoffen, dass auch der Weltmeister einmal einen entscheidenden Fehler macht. Das weiß auch Carlsen: "Ich muss immer noch vorsichtig sein."
Blackout am Brett
Während die beiden WM-Finalisten nun einen Ruhetag vor sich haben, werden ihre Sekundanten-Teams im Hintergrund ab sofort Extraschichten einlegen. Unterstützt von Computern versuchen die Trainer, ihre Schützlinge mit neuen Zugfolgen für die restlichen Partien zu präparieren. Es geht darum, möglichst unangenehme Überraschungen für die Eröffnungszüge zu finden und damit den Gegner zu verunsichern.
Die Schachexperten sind sich einig: In dieser Hinsicht war Carlsens Team bislang erfolgreicher als die Mannschaft des Russen. So auch in der achten Runde an diesem Sonntag: Carlsen brachte eine etwas ungewöhnliche Zugfolge in der "Russischen Verteidigung" auf das Brett. Nepomniachtchis Team hatte ihn auf die Variante offenbar nicht optimal vorbereitet. Kurz darauf folgte dann der spektakuläre Blackout des Herausforderers.