Schach-Bundesliga als Spielplatz für Millionäre
1. Oktober 2024Wenn Jan Henric Buettner eine Idee hat, dann geht es meist sehr schnell: "Ich habe Magnus Carlsen in Katar getroffen und ihm gesagt, es wäre doch klasse, wenn er für den Kult-Klub St. Pauli spielen würde - und da hat er zugesagt." So schildert der Hamburger Tech-Millionär der DW, wie er den besten Schachspieler der Welt in die Bundesliga gelotst hat. In der Saison 2024/2025 tritt der Weltranglistenerste aus Norwegen für den Aufsteiger St. Pauli an - wohlgemerkt im Schach. Denn der Klub hat nicht nur den Sprung in die Fußball-Bundesliga geschafft, sondern auch bei den Denksportlern ist St. Pauli jetzt in der ersten Liga unterwegs.
"Freestyle" mit Magnus Carlsen
"Carlsen wird sicher nicht bei jedem Bundesliga-Kampf am Brett sitzen, aber einige Male wollen wir ihn doch einsetzen", sagt Sponsor Buettner, der seit knapp einem Jahr in der Schach-Szene für Wirbel sorgt. Das öffentlichkeitswirksame Carlsen-Engagement ist dabei nur ein Teil seiner Schach-Aktivitäten.
Vor allem hat es Buettner eine Schach-Variante angetan, die er in den nächsten Jahren mit seiner "Weissenhaus Chess Academy" auch kommerziell erfolgreich machen will: "Freestyle". So nennt Buettner die Disziplin, bei der die Anfangsaufstellung vor jeder Partie ausgelost wird. "Im Freestyle-Schach haben wir große Sachen vor - und dabei wird Magnus Carlsen eine zentrale Rolle spielen."
Unterdessen profitiert in Hamburg nicht nur Aufsteiger St. Pauli, sondern auch der seit langem in der Bundesliga etablierte Hamburger Schachklub (HSK) von dem Interesse des umtriebigen Unternehmers an der Nerd-Sportart Schach. Der für seine Jugendarbeit bekannte HSK kann dank Buettner zusätzliche starke deutsche Spitzenspieler und Talente in die Bundesliga-Kämpfe schicken: "Ich freue mich, junge Leute dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen."
Weltklassespieler aus Indien in Düsseldorf
Für den Meistertitel dürfte es für die Hamburger Teams aber nicht reichen. Top-Favorit in der Liga ist nämlich ein anderer Aufsteiger: der Düsseldorfer SK. Auch am Rhein sorgt ein großzügiger Geldgeber für das nötige Finanzpolster. Der 33-jährige Unternehmer Wadim Rosenstein ist in der Industrie-Logistik tätig, bis zum Ukraine-Krieg vor allem im Export nach Russland. In den vergangenen zwei Jahren hat er nach eigenen Angaben Millionenbeträge in den Schachsport investiert. Rosenstein organisiert hochkarätige Turniere und sogar eine Schnellschach-WM. Jetzt unterstützt er auch den Klub in seiner Heimatstadt. "Es ist sportlich natürlich toll, um den Titel mitzuspielen", sagt der Vorsitzender der Düsseldorfer, Jan Werner, der DW. "Das ist eine riesige Chance für uns."
Sein Sponsor Rosenstein setzt in der Bundesliga vor allem auf internationales Top-Personal. Fast die gesamte indische Nationalmannschaft ist in dieser Saison für Düsseldorf gemeldet. Zum Beispiel der Superstar Arjun Erigaisi, als Dritter bestplatzierter indischer Spieler in der Weltrangliste. Oder Dommaraju Gukesh, die Nummer fünf der Welt, der gerade mit Indien die Schach-Olympiade gewonnen hat und im Winter um die WM-Krone spielen wird.
Aber auch russische Spieler wie der Vize-Weltmeister Ian Nepomniachtchi sind bei dem Aufsteiger dabei. Zwar ist der russische Schachverband wegen des Kriegs in der Ukraine sanktioniert, aber Düsseldorfs Vereinschef Werner sieht darin kein Problem: "Russische Profis dürfen selbstverständlich als Einzelspieler eingesetzt werden. Es gibt keine Basis dafür, sie auszuschließen."
Liga ohne Geschäftsmodell
Über Geld spricht in der deutschen Schach-Szene niemand gerne. Doch sicher ist: Ohne schachbegeisterte Mäzene geht zumindest im oberen Tabellendrittel wenig in der Liga, in der jeweils acht Einzelspieler ein Team bilden. Um Spitzenmannschaften wie Düsseldorf, Titelverteidiger Viernheim oder Rekordmeister Baden-Baden zu finanzieren, dürften pro Saison einige hunderttausend Euro aufzubringen sein. Neben den Gagen schlagen bei den Top-Stars aus aller Welt auch noch die Reisekosten zu Buche. Viel Geld für die meisten Vereine in der laut Eigenwerbung "besten Liga der Welt". Denn trotz der sportlichen Klasse steht die Schach-Bundesliga seit vielen Jahren ohne tragfähiges Geschäftsmodell da.
"Die Schach-Bundesliga hat leider nur wenige Mittel, um eine zentrale Vermarktung voranzubringen", erläutert Markus Schäfer, der Chef der Schach-Bundesliga. Natürlich freue er sich über den zusätzlichen Geldsegen für einige Klubs. Er berichtet aber auch, dass sich in der Vergangenheit immer wieder Vereine aus der Bundesliga zurückgezogen hätten. "Dabei ging es in der Regel um fehlende finanzielle oder personelle Ressourcen", so Schäfer.
Wie nachhaltig ist der Geldsegen?
"Jeder Euro, der im deutschen Schach ausgegeben wird, hilft dem deutschen Schach", sagt Ingrid Lauterbach, die Präsidentin des Deutschen Schachbunds, der DW. Das Modell in Hamburg sei nachhaltiger aufgestellt und vor allem für die jungen Spieler gut, findet die Funktionärin: "Bei Düsseldorf bin ich mir nicht so sicher, ob das nicht etwas ist, das in ein, zwei Jahren nicht mehr existiert."
Jan Werner, der Vorsitzende des Düsseldorfer SK, bestätigt, dass die Zusammenarbeit mit Geldgeber Rosenstein erst einmal bis zum Ende der laufenden Bundesligasaison angelegt sei. "Im Mittelpunkt steht für uns, den Titel zu gewinnen", sagt Werner. "Das stärkt aber auch den Amateurverein insgesamt."
Zumindest für einen Düsseldorfer Amateurspieler könnte so in dieser Saison auf jeden Fall ein prestigeträchtiger Einsatz in der Bundesliga herausspringen: Auf Rang 16 des Bundesliga-Kaders hat sich der Sponsor Wadim Rosenstein selbst aufstellen lassen. Gut möglich, dass der Hobby-Spieler Rosenstein demnächst zusammen mit den von ihm finanzierten Superstars am Brett sitzen wird.