Schäuble und Lew wollen nicht streiten
8. Januar 2014Eigentlich war es ein Routinetermin: In regelmäßigen Abständen treffen sich der Bundesfinanzminister und sein Amtskollege aus den USA, um sich politisch auszutauschen. Doch was ist im deutsch-amerikanischen Verhältnis noch Routine? Verwerfungen gibt es nicht nur wegen der NSA-Abhöraffäre. Seit Jahren herrscht bei den Amerikanern Unmut über die deutsche Wirtschaftspolitik. Die größte Volkswirtschaft der EU tue zu wenig für die Gemeinschaft und sei zu sehr auf die eigenen Vorteile bedacht.
Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Disput im vergangenen November, als US-Finanzminister Jacob Lew den deutschen Exportüberschuss für die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft verantwortlich machte. In einem Bericht des Finanzministeriums hieß es dazu wörtlich: "Deutschlands anämisches Wachstum der Binnennachfrage und seine Abhängigkeit von Exporten haben den Abbau von Ungleichgewichten in einer Zeit behindert, in der viele andere Länder der Euro-Zone stark unter Druck standen, die Nachfrage zu bremsen und Importe zurückzufahren."
Deutsches Kopfschütteln
In Deutschland kam das gar nicht gut an. Die Kritik sei nicht nachvollziehbar, hieß es unisono aus dem Bundesfinanz- und dem Bundeswirtschaftsministerium. Die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse seien das Ergebnis eines marktwirtschaftlichen Wettbewerbs auf den Weltmärkten. Die US-amerikanische Regierung sollte zudem lieber die eigene wirtschaftliche Situation kritisch analysieren.
Dabei blieb es. Kein Wunder also, dass der Besuch von US-Finanzminister Jacob Lew in Berlin an diesem Mittwoch (08.01.) auf großes Medieninteresse stieß. Doch die Journalisten wurden enttäuscht. Statt neuer Vorwürfe übten sich Lew und sein Gastgeber, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, in demonstrativer Freundlichkeit. Adjektive wie vertrauensvoll und hervorragend fielen gleich mehrfach.
Er habe sich gefreut, das neue Jahr mit Lews Besuch beginnen zu dürfen, sagte Schäuble und Lew begann seine Ausführungen damit, dass er der beim Skilanglauf verunglückten Bundeskanzlerin Genesungswünsche von US-Präsident Obama überbrachte.
Hinter den Kulissen brodelt es weiter
Der gescholtene Außenhandelsüberschuss wurde erst auf Nachfragen der Journalisten thematisiert. Ja, eine Stärkung der Binnennachfrage und mehr inländische Investitionen wären "eine gute Sache" für Deutschland und auch für die Weltwirtschaft, sagte Lew. "Das haben wir meines Erachtens sehr deutlich gemacht." Es sei sehr wichtig, dass die Lücke zwischen Aus- und Einfuhren schrumpfe. "Mir ist allerdings bewusst, dass die Meinungen zwischen meiner Regierung und Deutschland in dieser Frage auseinander gehen."
Nur für einen kurzen Moment wurde Schäubles Ton bei diesem Thema etwas schärfer. "Wir führen unsere Gespräche ja nicht, um uns gegenseitig Zensuren zu erteilen, sondern um uns besser zu verstehen." Die Situation in den USA sei eine völlig andere als in Europa. "Ich muss gelegentlich Gesprächspartnern von außerhalb der EU Einzelheiten der komplizierten Strukturen und Entscheidungssituationen in der EU erklären", so der Bundesfinanzminister.
Nachhilfe für Nicht-EU-Mitglieder
Die Eurozone müsse trotz ihrer 18 souveränen Mitgliedstaaten wegen ihrer gemeinsamen Währung als Einheit betrachtet werden. "Innerhalb der EU haben wir keinen deutschen Überschuss, sondern nur gegenüber Drittländern. Damit leisten wir aber einen Beitrag für eine balancierte Situation." Insgesamt habe die Eurozone nämlich nur einen geringen Außenhandelsüberschuss gegenüber der restlichen Welt. Ohne deutsches Zutun hätte sie hingegen ein Defizit. "Aber das Defizit der Vereinigten Staaten wird nicht besser dadurch, dass ein europäisches hinzugefügt wird."
Da war er trotz aller Freundschaftsbekundungen dann doch zu spüren, der unterschwellige wirtschafts- und finanzpolitische Zwist zwischen den Amerikanern und den Deutschen. Bundesfinanzminister Schäuble nutze den Termin auch, um vor der Fortsetzung der lockeren Geldpolitik zu warnen. "Wir müssen darauf achten, dass das große Maß an Liquidität, das wir in den Finanzmärkten haben, nicht zu neuen Blasenbildungen und neuen Krisen führen kann", sagte er und kritisierte damit auch die US-Notenbank Fed.
Was er denn zu diesem Punkt zu sagen habe, wurde daraufhin Jacob Lew gefragt. Der ließ sich gar nicht weiter darauf ein, verteidigte die Geldpolitik nur als Maßnahme zur Stärkung der Wirtschaft und meinte abschließend: "Die Notenbank macht die Währungspolitik, also überlasse ich das der Fed."