Jhingan: "Wir sterben auf dem Platz füreinander"
9. Januar 2019Die Fußballnationalmannschaft Indiens ist international eher eine Unbekannte. 1993 und 1996 gelang es Indien jeweils kurzzeitig, sich in der FIFA-Weltrangliste unter den besten 100 zu platzieren, danach ging es wieder bergab. Bringt der Asian Cup, in den das Nationalteam mit einem 4:1-Sieg gegen Thailand startete, die Wende? Abwehrspieler Sandesh Jhingan glaubt daran.
DW: Wie wichtig ist es, dass Indien nach zwei Jahrzehnten wieder zu den besten 100 Mannschaften der Welt gehört?
Sandesh Jhingan: Natürlich sind wir sehr stolz auf das, was wir erreicht haben. Aber ich persönlich bin kein großer Fan von Rankings. Ich bin ein Fan großer Turnieren und großer Spiele. Wir hatten einen Lauf von 13 ungeschlagenen Spielen [zwischen 2016 und 2017 - Anm. d. Red.], was für uns wirklich etwas Großes war. Schon, dass wir uns für den Asian Cup qualifizieren konnten, war eine Riesensache.
Was glauben Sie, wie weit die "Blue Tigers" in den Vereinigten Arabischen Emiraten kommen können?
Die Vorbereitung lief wirklich gut, aber ich wünschte, wir hätten mehr Zeit gehabt, um mehr Freundschaftsspiele zu absolvieren. Das Unentschieden gegen China [0:0 im Oktober 2018] war ein sehr gutes Ergebnis. Dann haben wir [im November 2018] in Jordanien gespielt und 1:2 verloren, aber die meisten von uns konnten bei dem Spiel nicht dabei sein. Wir mussten unter schwierigen Umständen anreisen. Wir steckten rund 24 Stunden am Flughafen fest.
Trotzdem sehe ich das Team jetzt sehr stark, wir sind motiviert. Wir sind eine unglaublich starke Einheit. Ich glaube, das ist unsere größte Stärke.
Können Sie das erläutern?
Wenn wir raus auf den Platz gehen, hören wir oft, dass wir wie eine Bande von Brüdern spielen oder wie Krieger auf dem Platz. Wir fühlen uns auch wie Brüder, wir sprechen alle die Sprache des Fußballs, und wir sterben auf dem Platz füreinander.
Ich bin sehr glücklich, Teil des Teams zu sein. Und ich hoffe wirklich, dass uns dieser Zusammenhalt helfen wird, einen guten Asian Cup zu spielen. Ich denke, unser Team wird die ganze Nation stolz machen. Natürlich gibt es viel zu tun, aber wir sind seit fast vier Jahren als Kader mit demselben Trainer zusammen. Ich freue mich wirklich sehr darauf, etwas zu erreichen.
Lassen Sie uns einen Blick über den Asian Cup hinaus werfen: Man liest oft, dass Cricket viele potentiell gute indische Fußballer abwirbt, bevor sie sich im Fußball entfalten können. Würden Sie da zustimmen?
Ich halte diese einseitige Sichtweise für falsch. Natürlich wird Cricket in Indien immer der Nationalsport bleiben. Die indischen Cricketspieler haben Großes geleistet, unter anderem die Weltmeisterschaft gewonnen. Auch ich bin sehr stolz auf das indische Cricket-Team. Aber mit unserer großen Bevölkerungszahl sollten wir im Fußball viel besser abschneiden.
Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, denn Fußball ist eine aufregende Sportart. Indien liebt Fußball, aber er wurde nie im Fernsehen übertragen, er wurde den Menschen nie gezeigt. Das hat sich mit dem Start der indischen Super League vor vier Jahren geändert. Kinder können uns jetzt im Fernsehen zusehen und denken vielleicht: "Mein Gott, wenn sie es können, dann kann ich das auch! Sie kommen aus Indien, genau wie ich." Das begeistert die kleinen Kinder, deshalb sind die Fernsehkameras so wichtig. Wenn man ein Produkt nicht gut aussehen lässt, dann wird es auch niemand kaufen.
Zurück zum Fußball-Nationalteam: Der frühere indische Stürmerstar Kalo Harin glaubt an eine erfolgreichere Zukunft des indischen Fußballs - sogar daran, dass sich das Land für eine Weltmeisterschaft qualifizieren kann.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Ab 2026 qualifizieren sich mehr Teams für die WM, das ist ein Pluspunkt. Aber auch wenn die Weltmeisterschaft der ultimative Traum ist, müssen wir erst einmal beim Asian Cup bestehen. Wir sind jetzt die dominierende Kraft im südasiatischen Fußball und werden bald die gewünschten Ergebnisse erzielen - angefangen mit dem Gewinn des Asien-Pokals. Bei allem Respekt, wir können uns nicht wie vor zehn Jahren für den Asian Cup qualifizieren und dann eine Niederlage nach der anderen kassieren. Wir müssen unser Potential ausschöpfen.
Nationalspieler Sandesh Jhingan wird in seiner Heimat auch "Indian Wall" genannt, die indische Mauer. Der 25 Jahre alte Verteidiger spielt in der Super League für Kerala Blasters FC. 2014 wurde Jhingan als "Aufsteiger des Jahres" im indischen Fußball geehrt. Bisher hat er 29 Länderspiele für die "Blue Tigers" absolviert.
Das Interview führte Kres Harrington.