Fußball vor Trümmerlandschaft
4. Januar 2019Syrien - seit Jahren steht der Name vor allem für Krieg, Zerstörung und erbitterte Kämpfe, in denen nationale ebenso wie internationale Akteure mitmischen. Doch nun zeigen Fußballer wie der Stürmer Omar al-Suma ein ganz anderes Bild ihres Landes - eines das vor allem mit dem Fußball verbunden ist: Es fehlte nur wenig, und das Team hätte sich für die WM 2018 qualifiziert. Schmerzhaft in Erinnerung ist den Fans das dramatische Play-Off-Rückspiel gegen Australien im Oktober 2017: In der Verlängerung erzielte der australische Kapitän Tim Cahill zwei Kopfballtore, das Spiel endete 2:1 für Australien. Für Syrien bedeutete das nach dem 1:1 im Hinspiel das Ende der WM-Träume.
Umso entschlossener hatte sich das Team zuvor in den Gruppenspielen der WM-Qualifikation gezeigt, die gleichzeitig die Qualifikation zur Asienmeisterschaft 2019 war. Von Anfang an gehörten die Syrer zu den Favoriten unter den insgesamt 40 Mannschaften der Qualifikation, die dem Team aus dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land als Gruppenzweiter hinter Favorit Japan schließlich gelang. Die Gruppengegner beim Turnier, das vom 05. Januar bis zum 01. Februar 2019 in den Vereinigte Arabischen Emiraten ausgetragen wird, heißen Australien, Jordanien und Palästina.
Allgegenwärtige Politik
Aufgrund des Krieges absolvierte die Mannschaft alle Spiele außerhalb der Landesgrenzen. Schon die Tatsache, dass unter diesen Umständen überhaupt ein Team zustande kam gilt als bemerkenswerte Leistung.
Darüber hat die Mannschaft in den vergangenen Monaten zahlreiche Sympathien gewonnen - auch wenn längst nicht alle Syrer diese teilen. Einige gingen sogar offen auf Distanz zum Team: Beim Spiel gegen Australien unterstützen sie nicht die syrische, sondern die australische Mannschaft.
In den Augen seiner Kritiker repräsentiert das Team die Regierung Baschar al-Assad und wird von dieser für Propaganda-Zwecke missbraucht. So trage es dazu bei, vom Krieg in Syrien abzulenken, so die Vorwurfshaltung. Das wiederum helfe der Regierung, Forderungen aus Syrien wie aus dem Ausland nach einer Absetzung des Präsidenten ins Leere laufen zu lassen.
Die Verantwortlichen hinter dem Team würden dieses in den Dienst der Politik stellen, kritisiert etwa der syrische Fußballspieler Jean Ramadan, der derzeit zur Probe bei einem deutschen Klub trainiert. Dies würden "viele Fans nicht gutheißen", so Ramadan im Gespräch mit der DW. Die meisten der Verantwortlichen hätten einen militärischen Hintergrund. Mit Fußball hätten sie wenig im Sinn. "Dabei ist es doch so, dass das Fußballteam allen Syrern gehört und nicht nur einer bestimmten Gruppe."
"Die Mannschaft repräsentiert die Bevölkerung, nicht die Regierung"
Die Debatte darum, wen das syrische Fußballteam repräsentiere sei aber nun beendet, sagt Ramadan. Inzwischen schaue die Mehrheit der Syrer den "Adlern" - wie das Team genannt wird - einfach zu und erfreue sich an seinen Leistungen. "Die Fans wollten nur Fußball schauen", sagt Ramadan. Allerdings sähen sie es gerne, wenn auch Spieler dabei seien, die den Reihen der früheren Opposition entstammen.
Der syrische Fußballverband reagiert auf die Anfrage der DW zur politischen Dimension der Nationalmannschaft nicht. Der ägyptische Sportjournalist Hassan al-Mustakawi weist darauf hin, dass das Verhältnis zwischen Sport und Politik in den arabischen Ländern seit Beginn des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 verstärkt diskutiert wird. In der Vergangenheit hätten einzelne Regierungen immer wieder versucht, die jeweilige Fußballnationalmannschaft für ihre Zwecke einzubinden. "Sie vergessen allerdings, dass das Team die Staatsbürger repräsentiert - und nicht die Regierung."
In Syrien könne man laut al-Mustakawi von Politik nicht reden. Dort finde vielmehr eine militärische Auseinandersetzung statt. "Bewaffnete Oppositionelle werden niemals eine Mannschaft unterstützen, die von einem der Regierung unterstehenden Verband unterstützt wird."
Effektive Vorbereitung
Jenseits der Politik debattieren die Fans darüber, welche Chancen die Mannschaft bei den anstehenden Asienmeisterschaften habe. Der syrische Fußballverband hat den deutschen Trainer Bernd Stange unter Vertrag genommen, außerdem unterstützt der Verband die Mannschaft finanziell und medial und kümmert er sich um die Organisation des Trainingscamps in Österreich.
Bislang hat die syrische Mannschaft eine Reihe von Freundschaftsspielen absolviert. Experten räumen dem Team bei der Asienmeisterschaft gute Chancen ein. "Die Mannschaft kann eine führende Rolle spielen", meint Ubaida Nafie, Sportjournalist beim amerikanischen Sender CNN. "Die Spieler sind in guter Form und auch Technik und Management arbeiten effektiv." Vieles hänge nun vom mentalen Zustand der Mannschaft ab. "Darum halten die syrischen Fans sich mit ihren Erwartungen zurück. Sie wollen die Mannschaft nicht unnötig unter Druck setzen."
Gute Stürmer, schwache Verteidigung
Bei der Qualifikation zur Asienmeisterschaft habe sich das Team verdient das Endrunden-Ticket erspielt, ist Nafie überzeugt. Eine große Rolle habe der ideelle Antrieb der Mannschaft gespielt: Sie wolle das Land ehrenhaft vertreten. Dieser Wunsch schweiße das Team zusammen.
Anders sieht es der Spieler Jean Ramadan: Die Mannschaft habe bislang vor allem Glück gehabt. Das Team habe zwar gute Stürmer, im Mittelfeld und in der Verteidigung sehe es allerdings anders aus. Außerdem habe die Mannschaft derzeit noch mit taktischen Problemen zu kämpfen.
Nafie hingegen misst diesen Problemen nur geringes Gewicht bei. Die Mannschaft habe technisch enorme Fortschritte gemacht. Vielleicht kann die syrische Auswahl ja sogar für eine richtige Überraschung sorgen.