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Sagan: Der Jäger der Klassiker

Tom Mustroph
9. April 2018

Mit seinem Erfolg bei Paris-Roubaix etabliert sich Peter Sagan endgültig als Klassikerjäger. Er erstickt auch die Zweifel daran, dass er sein Talent verschludert. Und vor allem knackt er den Quick Step-Block.

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Paris-Roubaix: Weltmeister Sagan triumphiert
Bild: Getty Images/AFP/J. Pachoud

Peter Sagan hat sich den Sieg bei Paris-Roubaix geschnappt. Der dreifache Weltmeister gewann den Kopfsteinpflaster-Klassiker nicht so, wie er sonst seine Rennen gewinnt: im Spurt aus einer kleinen Gruppe heraus oder eine kleine Rampe hoch. Nein, Sagan siegte beim Klassiker in Roubaix, der vom Todesfall des Belgiers Michael Goolaerts überschattet wurde, im Kannibalen-Modus eines Eddy Merckx.

54 Kilometer vor dem Ziel trat der Slowake an, konterte eine Attacke seines Rivalen Greg van Avermaet, zugleich der Titelverteidiger. Und dann setzte er sich einfach ab. Es war ein guter Moment, der entscheidende Moment, und wie das Leben oft spielt, gar nicht so geplant. "Ja, es war ein bisschen aus der Situation heraus. Eigentlich wollte er etwas später gehen, aber es war ein guter Moment. Da brauchten wir nicht mehr warten", schilderte später Sagans Teamkollege Markus Burghardt die Situation.

Die Instinktattacke

Gut, am Ende fuhr Sagan doch noch einen Sprint aus im Velodrom von Roubaix. Er distanzierte dabei den Schweizer Meister Silvan Dillier, der aus der Fluchtgruppe des Tages übrig geblieben war. Aber dass Sagan überhaupt die Chance auf diesen Sprint hatte, dass er nicht wieder ausgebremst und schachmatt gesetzt wurde vom übermächtigen Quick Step-Team - das hatte er seiner Instinktattacke zu verdanken. Die verblüffte die Konkurrenz. Sie hatte es so nicht erwartet. Denn bislang waren die Frühjahrsklassiker nach dem Muster verlaufen: Team Quick Step hält den Haufen zusammen. Dann stielt sich Tempobolzer Niki Terpstra davon. Und entweder kommt er durch, wie vergangene Woche bei der Flandernrundfahrt oder zuvor in Harelbeke. Oder er wird eingefangen, und dann ist ein anderer Quick Step-Profi da und fährt um den Sieg mit.

Radrennen PARIS ROUBAIX 2018
Der Quick Step-Block um Niki Terpstra (r.) kam diesmal nicht so zum Zuge wie sonstBild: picture-alliance/Belga/Y. Sunada

Das war das Muster. Und Sagan hatte sich darüber aufgeregt, hatte mangelnde Kooperationsbereitschaft der Konkurrenz beklagt. "Ich habe nur gesagt: Wenn ihr nicht aufwacht, dann werdet ihr als Teams keine Rennen gewinnen. Ich habe mich gar nicht beklagt. Ich habe nur gesagt, was los ist. Und gefordert: Jungs, wacht auf!", fasste Sagan in Roubaix noch einmal die verbalen Auseinandersetzungen zuvor zusammen.

Boonen: "Katze auf dem Baum"

Seine Klagen, denn Klagen waren es ja doch, hatten ein schrilles Echo ausgelöst. Sagan, der Sunnyboy, war auf einmal zum Meckerer gestempelt, zu einem, der nicht verlieren kann. Tom Boonen, mehrfacher Roubaix-Sieger für Quick Step und mittlerweile im Ruhestand, hatte Sagan als "lauernde Katze auf dem Baum" bezeichnet, als einen, der selbst immer nur an den Hinterrädern klebt.

Radrennfahrer Tom Boonen
Kritisch: Tom BoonenBild: picture-alliance/Belga/D. Stockman

Auf Sagan hatte all diese Katzenrhetorik offenbar einen stimulierenden Effekt. Er wollte nicht mehr auf die anderen warten. Er attackierte jetzt selbst. Das war die Innovation. Und hinter ihm gab es business as usual. Es spielte sich genau das ab, was er zuvor kritisiert hatte. Mit dem Unterschied, dass er dieses Mal eben nicht mehr darunter litt, sondern davon profitierte. Das ist die Dialektik der Sieger.

Die Augen des Weltmeisters blitzten vor Schalk im Velodrom von Roubaix, als er sagte: "Es ist immer besser, alleine vorn zu sein als mit fünf Leuten zu fahren, die nicht zusammen arbeiten. Ich habe immer wieder zurück geschaut unterwegs, weil ich Zeit verlor. Aber dann attackierten sich meine Verfolger untereinander und mein Vorsprung wuchs wieder."

Sieg gegen die Zauderer

Er konnte sich freuen. Seine Analyse, für die er gescholten worden war, hatte sich erneut als zutreffend bewiesen. "Die Jungs hinter mir haben bei ihren Attacken gegeneinander einfach zu viel Kraft gelassen", bilanzierte er. Vor allem aber konnte er sich freuen, sich endlich seinen Kindheitstraum vom Sieg in Roubaix erfüllt zu haben. Und all seinen Zweiflern, die schon unkten, dass er sein Talent verschludere, dass Bora hansgrohe nicht das richtige Team für ihn sei, weil zu schwach, weil taktisch nicht ausgebufft genug - all das war an diesem sonnigen Frühlingsnachmittag im Velodrom von Roubaix Makulatur.

Dem alten Eddy Merckx konnte man auch endlich recht geben. Denn der hatte einst gesagt: "Ich erkenne mich in Sagan wieder." Peter Sagan ist jetzt im Klassikerfeld endgültig angekommen. Seine Flucht nach vorn bescherte ihn noch mit einem anderen Vorteil: Während die Konkurrenz vom Dreck der Landstraße verschmiert war, Trikots und Rennhosen von Stürzen zerrissen und die Haut teilweise auch in Fetzen hing, wirkte der Slowake in seinem hell scheinenden Regenbogentrikot regelrecht adrett. Ist ja auch klar: Wer ganz vorn fährt, der produziert nur die Wolke aus Staub und Dreck, er muss aber nicht durch sie hindurch. Sagan - ein Sieger mit ganz eigenem Stil.