Saakaschwili schmeißt in Odessa hin
7. November 2016Rund ein halbes Jahr ist es her, dass Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk in Kiew seinen Posten vorzeitig verlassen hat - jetzt erlebt die Ukraine den Abgang ihres zweiten Hoffnungsträgers. Der frühere Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili, hat 17 Monate als Gebietsgouverneur im südukrainischen Odessa amtiert - am Montag verkündete er überraschend seinen Rücktritt.
Er warf dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vor, er unterstütze die Korruption. In Kiew teilte das Präsidialamt mit, Poroschenko werde den Rücktritt wohl annehmen.
Möglicherweise wollte der 48-Jährige einer Entlassung zuvorkommen. Vor genau einem Monat gab es entsprechende Medienberichte, die Saakaschwili damals dementierte. Seitdem ist jedoch einiges passiert. Zu Hause in Georgien verlor seine oppositionelle Partei "Die einheitliche nationale Bewegung" im Oktober die Parlamentswahl. Manche Kollegen forderten ihn auf, den Parteivorsitz abzugeben. In Georgien wird gegen Saakaschwili wegen Amtsmissbrauchs ermittelt. Er weist die Vorwürfe zurück.
Als Reformer willkommen
In der Ukraine hatte Saakaschwili lange den Ruf eines erfolgreichen prowestlichen Reformers, der es zum Beispiel geschafft hatte, in Georgien Korruption bei der Polizei zu bekämpfen. Als Poroschenko ihn im Mai 2015 zum Gebietsgouverneur in Odessa ernannt hatte, gab es gemischte Reaktionen. Die einen hofften, dass ein Außenseiter eher als lokale Politiker den Reformen zum Durchbruch verhelfen könnte. Die anderen warnten vor Populismus.
Saakaschwili war nicht der einzige Georgier in der neuen ukrainischen Führung. 2014 lud Poroschenko mehrere Politiker aus der Kaukasusrepublik ein, die von Krisen erschütterte Ukraine zu reformieren. Doch einer nach dem anderen wurden diese Reformer in Machtkämpfe mit ukrainischen Politikern verwickelt und abgedrängt. Wenige Stunden vor Saakaschwilis Rücktritt kündigte auch Georgij Lortkipanidse als Polizeichef im Gebiet Odessa seinen Abgang an. Er begründete seine Entscheidung unter anderem damit, er habe zu wenig Personal.
Gemischte Bilanz in Odessa
Odessa ist eine strategische Region für die Ukraine. Die Hafenstadt am Schwarzen Meer ist ein wichtiger Verkehrs- und Industrieknoten. Kiew wollte noch bis Jahresende das Hafenwerk Odessa privatisieren, ein besonders lukratives Chemieunternehmen, eine Art Tafelsilber der Regierung.
Nach der russischen Krim-Annexion ist Odessa der Hauptstützpunkt der ukrainischen Marine. Zu den Problemen der Stadt zählt, dass die Bevölkerung latent prorussisch ist. Separatisten versuchten 2014, durch Proteste die Kontrolle in der Stadt zu übernehmen - ähnlich wie in Donezk und Luhansk.
Saakaschwilis Bilanz in Odessa nach anderthalb Jahren fällt eher bescheiden aus. Er entließ viele Verwaltungschefs in der Provinz und ernannte junge Aktivisten und Fachleute. Dafür wird er von vielen gelobt. Auch der Bau einer strategisch wichtigen Autobahn von Odessa zum Städtchen Reni an der ukrainisch-rumänischen Grenze wurde begonnen. Und ein Servicezentrum in Odessa, in dem Bürger schnell und ohne Bestechung Anmeldungen erledigen oder neue Pässe beantragen können, wurde 2015 feierlich eröffnet. Doch Saakaschwilis Prestigeprojekt hat seine Arbeit mittlerweile eingestellt.
Neue Partei in der Ukraine?
Kritiker warfen Saakaschwili vor, er toure lieber durch die Ukraine mit seinem Antikorruptionsforum, statt sich den Problemen des Gebiets zu widmen. Bisher bleibt der Georgier einem breiten Publikum in der Ukraine vor allem durch seine spektakulären Medienauftritte in Erinnerung. Ein hitziges Wortgefecht mit Saakaschwili im Dezember 2015 veranlasste den ukrainischen Innenminister Arsen Awakow dazu, ein Wasserglas nach dem Gouverneur von Odessa zu werfen. Damals beschuldigte Saakaschwili auch Ministerpräsident Jazenjuk der Korruption und half damit indirekt Poroschenko in seinem Konflikt mit dem Premier. Nun ist der Präsident selbst Ziel von Saakaschwilis Kritik geworden.
Seit Monaten wird darüber spekuliert, dass Saakaschwili eine neue Partei in der Ukraine gründen möchte. Sie soll Chwylja (Die Welle) heißen. Ob sie erfolgreich sein wird, ist allerdings fraglich. In Umfragen lag eine hypothetisch von Saakaschwili gegründete Partei zuletzt zwischen einem und drei Prozent.