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Russwurm Industrie 4.0

Klaus Ulrich15. Januar 2014

Industrie 4.0: Wie weit ist die neue Technologie fortgeschritten? Ein Gespräch mit Siegfried Russwurm, CEO von Siemens Industry und Mitglied des Vorstands der Siemens AG.

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Prof. Dr. Siegfried Russwurm (Foto: Siemens AG)
Bild: Siemens Industry

DW: Herr Russwurm, die Stichworte Smart Factory bzw. Industrie 4.0 - was kann die deutsche Industrie liefern?

Siegfried Russwurm: Industrie 4.0 ist eine Vision, die die deutsche Industrie zusammen mit deutschen Hochschulinstituten entwickelt hat. Unterschiedliche Beteiligte haben sich zusammengefunden, um diese Vision für die Produktion der Zukunft gemeinsam zu erarbeiten. Daraus sind Handlungsempfehlungen - nicht zuletzt für die Politik - entstanden. Wir sind wichtige Schritte schon gegangen, aber es besteht auch noch deutlicher Forschungsbedarf, damit wir diese Vision wahrwerden lassen.

Wie weit ist diese neue Technologie bereits in Deutschland verbreitet?

Viele Elemente dieser Technologie sind heute schon in vielen Unternehmen ganz unterschiedlicher Art und Größe vorhanden. Ich denke an das Thema der Kommunikation, der Vernetzung. Ich denke aber auch an die Durchgängigkeit zwischen Produktentwicklung und Produktion, wo wir ja in den letzten zehn, 15 Jahren über Industriesoftware in vielen Branchen ganz erhebliche Fortschritte gemacht haben. Und diese Aspekte von Vernetzung, diese Aspekte von Kommunikation, von Durchgängigkeit, von Simulation, von Produkt und Produktionsablauf, der dann mit der realen Welt vernetzt wird, alles das sind Bausteine dieser Vision von Industrie 4.0.

Könnten Sie ein präzises Beispiel nennen, wie so eine intelligente Produktion funktioniert?

Ich kann Ihnen beschreiben, was heute schon funktioniert. Ich nehme - die Freiheit gestatten Sie mir - ein Beispiel aus dem eigenen Unternehmen, weil wir ja sowohl Anbieter sind für das Thema Industrie 4.0 oder die Teilelemente davon, aber natürlich auch Anwender im Siemenskonzern mit unseren fast 300 Werken. Wenn ich mir unser Elektronikwerk in Amberg anschaue, dann ist dort die Integration zwischen der digitalen Repräsentation, also dem digitalen Produktmodell und der Produktion schon sehr vorbildlich realisiert. So konnten wir die Produktivität dieses Werkes in den letzten Jahren deutlich steigern. Da sind immer noch etwa 1000 Menschen beschäftigt, so wie vor sieben oder acht Jahren. Aber wir schaffen ein Mehrfaches der Produkte. Und wir haben die Qualität inzwischen soweit erhöht, dass unsere Fehlerquote sage und schreibe nur noch zwölf Fehler pro einer Million Produkte beträgt.

Und wie sieht die Kostenseite aus? Da waren doch sicherlich hohe Investitionen notwendig?

Das ist richtig. Aber diese Investitionen haben sich im wahrsten Sinne des Wortes gut bezahlt gemacht. Alleine schon durch die Tatsache, dass wir mit der gleichen Mannschaft ein Vielfaches der Produktion schaffen. Ein wesentlicher Aspekt dieser neuen Art der Produktion ist auch, dass sie die "time to market", also die Zeit zwischen Produktkonzeption und -entwicklung bis zum "go to market", also bis das Produkt zum ersten Mal für Kunden verfügbar ist, drastisch verkürzt. Wir haben Kunden, die diese Methodik anwenden und die bis zu 50 Prozent Zeitersparnis damit gewinnen. Und in immer schnelleren Märkten, in denen es ganz besonders wichtig ist, dass man zum richtigen Zeitpunkt einen Trend erfasst und bedienen kann, ist das ein Vorteil, der mit immensen, auch monetären Vorteilen für den Anwender verbunden ist.

Wo steht Deutschland Ihrer Meinung nach im internationalen Vergleich?

Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland hier zwei Mal an der Spitze steht. Einmal auf der Anbieterseite: Deutsche Unternehmen sind anerkanntermaßen die Weltmarktführer, wenn es um Produktionstechnologie geht. Aber auch in der Anwendung. Es gibt eine ganze Reihe von "Pilotfabriken" bei unterschiedlichen Unternehmen, die auch für Interessenten aus anderen Teilen der Welt inzwischen fast schon zur Pilgerstätte werden. Ich war im Oktober eingeladen nach China. Der Chairman der Chinese Academy of Engineering hatte uns bei Siemens besucht und beim Tischgespräch gefragt, was es denn mit Industrie 4.0. auf sich habe. Ich antwortete ihm, dass ich darüber locker einen ganzen Vortrag halten könnte. Daraufhin lud er mich spontan nach Peking ein, um diesen Vortrag auch für seine Kollegen zu halten. In China ist man hochgradig an Industrie 4.0 interessiert. Die deutschen Hersteller und auch die deutschen Wissenschaftsinstitute, die daran arbeiten, werden dort weltweit als Vorreiter gesehen. Und das zu Recht, da bin ich fest von überzeugt.

Das Gespräch führte Klaus Ulrich.

Der Sektor Industry von Siemens ist ein weltweit tätiger Anbieter von Produkten und Lösungen für Industriekunden. Mit Automatisierungstechnik, industrieller Schalt- und Antriebstechnik sowie Industriesoftware stattet Industry die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen aus - von Produktdesign und -entwicklung über Fertigung und Vertrieb bis hin zum Service.

Siemens Industry hat weltweit mehr als 100.000 Beschäftigte und erzielte im Geschäftsjahr 2013 einen Umsatz von 18,6 Mrd. Euro und ein Ergebnis von 1,5 Mrd. Euro.