Smart Factory
10. Januar 2014Bei den meisten Industrie-Unternehmen in Deutschland ist das Thema Smart Factory bereits wichtiger Bestandteil der Geschäftsstrategie. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftsdienstleisters PricewaterhouseCoopers (PwC). In der Praxis steuert allerdings erst jede fünfte Firma die Abläufe in ihren Produktions- und Betriebsstätten über vernetzte IT-Systeme.
"Aber fast die Hälfte der Befragten plant eine so genannte Smart Factory", sagt Michael Rasch, PwC-Experte für den Bereich Digitale Transformation im Gespräch mit der DW. Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie sei es, dass die Realisierungsphase einer solchen Smart Factory weniger als ein Jahr dauere. Veranschlagt hätte die Mehrzahl der Unternehmen einen längeren Zeitraum.
Smart anything
Smart anything - alles mit allem vernetzen: In der deutschen Industrie ist dieser große Technologie-Trend zwar angekommen, durchgesetzt hat er sich aber noch lange nicht. Fest steht jedoch: Dort, wo sie bereits zum Einsatz kommt, werden durch die zunehmende Automatisierung deutliche Verbesserungen erzielt.
"Überraschend war für uns dabei, dass nicht eine Umsatzsteigerung als wesentlicher Erfolg der Smart Factory genannt wurde, sondern die größere Flexibilität und höhere Qualität der Produktion", so Rasch.
Zuverlässig und schnell
Diese Entwicklung beobachtet auch Siegfried Russwurm, Chef der Industriesparte beim Siemens-Konzern. Im Elektronikwerk von Siemens im oberpfälzischen Amberg habe man die Produktivität durch Vernetzung von digitalen Produktmodellen mit der realen Produktion in den letzten Jahren um ein Vielfaches steigern können, berichtet Russwurm. Außerdem sorge die neue Technologie dafür, "dass unsere Fehlerquoten sage und schreibe nur noch zwölf Fehler pro einer Million Produkte betragen". Das sei reales Ergebnis einer ganz starken Integration zwischen Produktentwicklung und Produktion im digitalen Modell und in der tatsächlichen Realisierung in der Fabrik.
Ein wesentlicher Aspekt dieser neuen Art der Produktion sei auch, dass die Zeit zwischen der Entwicklung eines neuen Produktes und dessen Verfügbarkeit für den Kunden drastisch verkürzt werde. "Wir haben Kunden, die diese Methodik anwenden und die bis zu 50 Prozent Zeitersparnis damit gewinnen", so Russwurm.
Fertigungsprozess im Optimum
Die Firma Weidmüller aus Detmold ist ein international agierender Mittelständler mit fast 4500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 620 Millionen Euro. Der Spezialist für Industrial Connectivity setzt bei seiner Produktion von Verbindungselementen für Kommunikationsnetze seit 2012 auf die neue Technologie.
Ausgangspunkt der Überlegungen war, dass während eines industriellen Fertigungsprozesses immer wieder Schwankungen auftreten können - sei es durch Unregelmäßigkeiten im zu verarbeitenden Material oder durch Verschleiß innerhalb der Maschine. Also galt es eine Technologie zu entwickeln, die auf solche Schwankungen in der Produktion reagiert und sicherstellt, dass alles im grünen Bereich bleibt.
"Wir haben eine Maschine realisiert, mit der wir im Prinzip den Fertigungsprozess jederzeit im Optimum behalten können", sagt Jan Michels, der verantwortliche Projektleiter bei Weidmüller. Bei der Entwicklung dieser "selbstoptimierenden" Maschine ging es vor allem darum, die Produktion nachhaltiger zu gestalten. "Wir wollten die Effizienz in unseren Prozessen steigern - die Material-Effizienz, aber auch natürlich die Energie-Effizienz."
Investitionen rechnen sich
Und auf Dauer natürlich auch die Kosten-Effizienz. Die notwendigen Investitionen zur Entwicklung der schlauen Maschine haben sich nach Meinung des Wirtschaftsingenieurs auf jeden Fall gelohnt. "Die Investition wird sich bald bezahlt machen", so Michels.
Erfolgreiche Projekte mit der Industrie 4.0-Technologie verzeichnet auch der IT-Dienstleister T-Systems, eine Tochter der Deutschen Telekom. Beispielsweise bei der Logistiksteuerung im Hamburger Hafen. Dort wurde der Güterverkehr durch IT-gestütztes Verkehrsmanagement soweit verbessert, dass in bestimmten Bereichen die Kosten um rund zehn Prozent sanken.
Datenschutz und fehlende Standards
Doch noch läuft nicht alles rund: Neben dem Datenschutz besteht ein zentrales Problem der Industrie 4.0 darin, bei der Vernetzung von klassischer Industrie und Informationstechnologie allgemeingültige Standards zu schaffen. Vereinfacht gesagt: Die Stecker müssen passen.
Eine Herausforderung von großer Tragweite, wie Hagen Rickmann, Geschäftsführer bei T-Systems, betont: "Probleme, die sich dabei ergeben, müssen gelöst werden." Es gehe darum, sich industrieweit auf ein bis zwei Standards zu einigen - und das "kostengünstig und effizient". Der Manager weist im Gespräch mit der DW in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Produktion mit rund 15 Millionen direkt oder indirekt abhängigen Arbeitsplätzen das Rückgrat des deutschen Wohlstands sei.
Deutschland in doppelter Hinsicht führend?
Deutschland hinke bei der Industrie 4.0 im internationalen Vergleich hinterher - auch das war ein Ergebnis der PricewaterhouseCoopers-Unternehmensumfrage. Führende Manager wie Siegfried Russwurm sind jedoch entschieden anderer Meinung. Der Siemens-Mann glaubt, dass Deutschland sogar in doppelter Hinsicht an der Spitze steht: Einmal auf der Anbieterseite, als Weltmarkführer in Sachen Produktionstechnologie. Aber auch als Anwender dieser neuen Technologie. So gebe es hierzulande eine ganze Reihe von "Pilotfabriken", wie Russwurm sie nennt, die für Interessenten aus anderen Teilen der Welt inzwischen "fast schon zur Pilgerstätte" werden.
Als weiteren Beleg seiner These führt Russwurm die Tatsache an, dass er kürzlich von der chinesischen Ingenieurs-Akademie zu einem Vortrag über die Industrie 4.0 nach Peking eingeladen wurde. "Die deutsche Industrie und auch die deutschen Wissenschaftsinstitute, die daran arbeiten, werden dort weltweit als Vorreiter gesehen. Und das zu Recht, davon bin ich fest überzeugt."