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Politik

Russland und der Westen: Getrennte Wege im All?

Roman Goncharenko
23. April 2021

Für Flüge zur ISS steigen die Europäer von russischen auf US-Raumschiffe um. Russland überlegt einen Ausstieg aus dem Projekt und baut eine eigene Raumstation. Es mehren sich Hinweise auf eine Zeitenwende.

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Start der Falcon-9-Rakete von SpaceX  am Freitag in Florida
Start der Falcon-9-Rakete von SpaceX am Freitag in FloridaBild: Joe Skipper/REUTERS

Für die europäische Raumfahrt hat am Freitag eine neue Ära begonnen. Nach einer zehnjährigen Pause ist ein Astronaut der Europäischen Raumfahrtagentur ESA mit einem US-amerikanischen Raumschiff zur Internationalen Raumstation ISS gestartet. Der Franzose Thomas Pesquet ist Teil der Besatzung der Crew Dragon des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX. Die Crew setzt sich aus Pesquet, den beiden US-Astronauten Shane Kimbrough und Megan McArthur sowie ihrem japanischen Kollegen Akihiko Hoshide zusammen. Es handelt sich um die zweite Crew, die von SpaceX zur ISS befördert wird. 

ESA-Astronaut Thomas Pesquet (links) vor dem Start am 23. April 2021
ESA-Astronaut Thomas Pesquet (links) vor dem Start am 23. April 2021Bild: NASA TV/AFP

Die USA und Russland sind die einzigen Nationen, die bemannte Raumflüge zur ISS durchführen können. Als die in die Jahre gekommenen US-Shuttles 2011 ausgemustert wurden und es keine Nachfolgeraumschiffe gab, übernahm Russland mit seinen Sojus-Raumschiffen die Aufgabe allein, Besatzungen zur ISS und zurückzufliegen. "Wir machen unsere Flüge zur ISS immer auf der Fahrkarte der Vereinigten Staaten", sagte Johann-Dietrich Wörner, der bis Februar ESA-Chef war, der DW. "Das heißt, wir bezahlen an sie für die Flüge und dafür können wir dann fliegen. Wir bezahlen nicht in bar. Wir stellen Hardware zur Verfügung, und dafür können dann die europäischen Astronauten mitfliegen. Selbst wenn wir mit den Russen starten, fliegen wir auf einer amerikanischen Fahrkarte." Die NASA sei der Premiumpartner und das werde so bleiben. 

2020 konnten die USA bemannte Flüge in Eigenregie wiederaufnehmen, wobei diesmal nicht die NASA selbst, sondern die private Firma SpaceX im Auftrag der NASA die Raumschiffe zur Verfügung stellt. Andere Unternehmen wollen bald folgen. Anders als die russische Sojus können in den Dragon-Kapseln vier statt drei Astronauten mitfliegen. Im Herbst wird der Deutsche Mathias Maurer mit den Amerikanern zur ISS fliegen. Für ihn wird es der erste Flug ins All sein.

Touchscreens bei SpaceX, Ventile bei Sojus

Wann wieder Europäer mit russischen Raumschiffen fliegen, ist offen. DW-Anfragen bei der russischen Weltraumagentur Roskosmos und bei der NASA blieben unbeantwortet. Der nächste Sojus-Flug, voraussichtlich im Herbst, wird zum ersten Mal seit langem eine rein russische Besatzung zur ISS bringen. Danach will Roskosmos wieder Touristen ins All fliegen - wie bereits vor 2009. 

Start der Sojus-Rakete mit einem US-Astronauten am 9. April 2021
Start der Sojus-Rakete mit einem US-Astronauten am 9. April 2021Bild: Roscosmos Space Agency/AP/dpa/picture alliance

Nachdem die NASA nun wieder über amerikanische Raumschiffe verfügt, um Astronauten in die Erdumlaufbahn zu schicken, wird die Zusammenarbeit mit Russland reduziert, aber nicht beendet. So flog am 9. April wieder ein US-Astronaut mit dem Sojus-Raumschiff zur ISS, obwohl diese Entscheidung sehr kurzfristig, weniger als zwei Monate vor dem Start, bekanntgegeben wurde. Im Gegenzug wird nun bald der russische Kosmonaut Sergej Korsakow mit Crew Dragon fliegen. Die USA schlagen Russland vor, Sitze in Raumschiffen immer wieder zu tauschen. Das ist im Grunde eine Rückkehr zur Praxis nach dem Ende des Kalten Krieges, als Amerikaner und Europäer mit russischen Sojus flogen und die US-Spaceshuttles russische Kosmonauten mitnahmen.

Während der Flugvorbereitung verbringen Europäer jetzt schon mehr Zeit in den USA als in Russland. Im Sternenstädtchen bei Moskau trainieren sie für den Einsatz auf der ISS, die größtenteils in Russland gebaut wurde. Manche ehemalige Astronauten bedauern, dass es nun weniger Möglichkeiten gibt, um Kontakte mit Russland aufzubauen und zu pflegen.

Matthias Maurer
Matthias MaurerBild: picture-alliance/dpa/F.Gambarini

Matthias Maurer ist einer der ersten europäischen Astronauten, die sowohl die russischen, als auch die neuesten US-Raumschiffe kennen. "Die Sojus-Kapsel ist vor mehr als 50 Jahren entwickelt worden und die SpaceX jetzt", sagt Maurer. Der Unterschied sei so ähnlich, als wenn man damalige und heutige Autos oder Flugzeuge vergleichen würde. "Man fliegt Crew Dragon mit dem iPad, man hat Touchscreens; dort ist alles schön angezeigt und man kann damit sehr viel verändern. Alles ist sehr elektronisch gehalten. Bei der Sojus gibt es im Inneren sehr viele Ventile, Handgriffe und Knöpfe." Außerdem sei das US-Raumschiff geräumiger.

Russland plant Ausstieg aus dem ISS-Projekt

Inzwischen sind die Tage der ISS als größtes internationales Projekt im Weltraum gezählt. Der Raumstation, die 2020 ihr 20-jähriges Jubiläum feierte, bleiben vielleicht nur noch wenige Jahre. Es häufen sich technische Probleme und russische Experten rechnen damit, dass sich die Lage nach 2024, wenn die bisher vereinbarte Betriebszeit endet, schnell zuspitzt. Die Kosten für Reparaturen würden dann deutlich steigen.

Die Internationale Raumstation ISS
Die Internationale Raumstation ISSBild: Paolo Nespoli/AP Photo/picture alliance

Vor diesem Hintergrund war es keine Überraschung als ein Vertreter der Regierung in Moskau Mitte April verkündete, Russland überlege, 2025 aus dem ISS-Projekt auszusteigen. Der Bau einer neuen eigenen Raumstation ist bereits beschlossen. "Falls Russland wirklich beabsichtigt aus der ISS auszusteigen, wäre das ein großer Rückschritt", sagt der ehemalige ESA-Chef Wörner. "Noch ist es nicht zu spät und ich hoffe, dass der Wille der Zusammenarbeit in Ost und West sich durchsetzt." Moskau schließt nicht aus, dass nach Beratungen mit anderen Partnern der ISS-Betrieb bis 2030 verlängert werden könnte.

Das Schicksal der ISS ist nicht der einzige Hinweis auf die sich abzeichnende Entfernung zwischen Russland und dem Westen in der bemannten Raumfahrt. So wollen ESA und NASA zusammen eine Raumstation in der Mond-Umlaufbahn bauen. Russland will dabei nicht mehr mitmachen. Vor kurzem unterzeichnete Moskau mit Peking ein Memorandum über den Bau einer Mondbasis. Bisher war die Raumfahrt einer der wenigen Bereiche, der aktuelle politische Spannungen fast unbeschadet überstand. Die USA verhängten 2020 jedoch Sanktionen gegen russische Unternehmen der Raumfahrtbranche. Der neue US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bezeichnete die Aktivitäten Russlands und Chinas im Weltraum als "ernsthafte und wachsende Bedrohung" für nationale Interessen.

Deutsche Astronauten hoffen auf Zusammenarbeit

Trotzdem glauben deutsche Astronauten an eine weitere Zusammenarbeit im Weltraum. "Die Raumfahrt verbindet", sagt Matthias Maurer. Er freue sich, auf der ISS einen russischen Kosmonauten zu treffen, mit dem er zusammen trainiert habe. "Ich verstehe mich mit den russischen Kosmonauten super. Jedes Mal wenn ich im Sternenstädtchen bin und dort trainiere, dann treffen wir uns auch privat, gehen zusammen essen oder man sitzt in der Sauna zusammen und beredet die Details des Trainings." Auf der Ebene der Astronauten sei die Zusammenarbeit gut. Er hoffe, dass es so bleibt.

Raumfahrt: Deutschlands Antwort auf SpaceX