Russland: Keine Hinweise auf Anschlag
27. August 2020Die russische Generalstaatsanwaltschaft sieht keine Anhaltspunkte für einen Giftanschlag auf den prominenten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny. Bei Voruntersuchungen habe es noch keine Hinweise darauf gegeben, dass "gegen Nawalny eine vorsätzliche Straftat" begangen worden sei. Daher gebe es auch noch keine Grundlage dafür, eine strafrechtliche Untersuchung zu eröffnen, teilte die Moskauer Behörde mit.
Die russische Regierung hatte zuvor mitgeteilt, die Erkrankung des nach Berlin ausgeflogenen Oppositionellen untersuchen zu lassen. Die Polizei fand bisher aber keine Spuren von Betäubungsmitteln an Orten, an denen sich Nawalny aufgehalten hatte. Untersucht worden sei sein Hotelzimmer in der sibirischen Stadt Tomsk sowie Wege und Straßen, teilten die Behörden Interfax zufolge mit. Die Polizei beschlagnahmte nach eigenen Angaben mehr als 100 Gegenstände, die möglicherweise als Beweis bei den Untersuchungen dienen könnten. Auch seien Überwachungskameras ausgewertet worden und es habe mehr als 20 forensische Studien gegeben.
Russland will Informationen der deutschen Ärzte
Die russische Generalstaatsanwaltschaft bat Deutschland aber um Mithilfe. Die deutsche Seite sei angefragt worden, Erläuterung, Informationen und Nachweise zu der Diagnose der Ärzte der Berliner Universitätsklinik Charité sowie Untersuchungsergebnisse zu überstellen, sagte ein Moskauer Behördensprecher der Agentur Interfax zufolge. Deutschland habe sich bereiterklärt, mit den russischen Behörden zusammenzuarbeiten, sagte der Sprecher weiter.
Bundesaußenminister Heiko Maas hatte zuvor gesagt, er wolle noch an diesem Donnerstag mit seinen EU-Amtskollegen den Fall beraten. "Wir erwarten, dass Russland sich an der Aufklärung beteiligt. Im Moment scheint das nicht der Fall zu sein", sagte Maas im Sender ZDF. Die Bundesregierung, die EU und die USA fordern eine Untersuchung des Vorfalls.
Nawalny liegt seit einer Woche im Koma. Am vorigen Donnerstag war er auf einem Flug von Sibirien nach Moskau zusammengebrochen. Zunächst wurde er nach einer Notlandung in einem Krankenhaus in Sibirien versorgt. Seit Samstag wird er in Berlin behandelt, bewacht von Beamten des Bundeskriminalamts. Nach Mitteilung der Charité weisen die klinischen Befunde auf eine Vergiftung hin. Russische Ärzte hatten keine Hinweise darauf gefunden. Nawalnys Team vermutet, dass der 44-Jährige vergiftet wurde.
Der Oppositionelle ist einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auf ihn wurden schon mehrere Anschläge verübt.
ust/uh (dpa, rtr, afp)