Sezession bestätigt
26. August 2008In einer Fernsehansprache teilte der russische Präsident Dmitri Medwedew am Dienstag (26.08.2008) die Nachricht mit: Russland erkennt Südossetien und Abchasien als unabhängig an. Ein entsprechendes Dekret habe er unterzeichnet, sagte Medwedew. Der Präsident folgte damit einem Votum des russischen Parlaments. Der Föderationsrat - das russische Oberhaus - und das Parlament - die Staatsduma - hatten sich am Montag für die Unabhängigkeit der beiden abtrünnigen georgischen Regionen ausgesprochen.
Medwedew begründete die Entscheidung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, wie es in der UN-Charta formuliert sei, in den Prinzipien des Völkerrechts und der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Georgien trage die Schuld an der Eskalation des Konflikts, betonte er: Der georgische Präsident Michail Saakaschwili habe "Völkermord gewählt, um seine politischen Pläne zu erfüllen". Mit dem Angriff georgischer Truppen auf Südossetien am 8. August seien die letzten Hoffnungen der Menschen in Südossetien und Abchasien auf friedliches Zusammenleben zerstört worden. Andere Staaten sollten deshalb dem russischen Beispiel folgen und Südossetien und Abchasien ebenfalls anerkennen.
Georgien: "offene Annexion"
In Südossetien und Abchasien stieß Medwedews Erklärung auf Zustimmung. Die Präsidenten, Eduard Kokojty und Sergej Bagapsch, dankten "Russland und dem russischen Volk" für die Anerkennung. "Das ist ein historischer Tag für unser Volk", sagte der Abchase Bagapsch der russischen Nachrichtenagentur Interfax.
In Georgien und im Westen stieß die Anerkennung auf Ablehnung. Die georgische Regierung sprach von einer "offenen Annexion georgischen Territoriums" durch Russland. Die Entscheidung von Medwedew habe "keinen rechtlichen Wert", werde aber "harte politische Konsequenzen" haben, sagte Alexander Lomaja, der Chef des georgischen Sicherheitsrates.
Merkel: "Absolut nicht akzeptabel"
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Anerkennung der Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Gebiete scharf kritisiert. Dies sei "absolut nicht akzeptabel", sagte sie am Dienstag bei einem Besuch in Tallinn in Estland. Merkel forderte als Bedingung für die weitere Zusammenarbeit der EU mit Russland die Einhaltung gemeinsamer Werte. Es gehe um die Achtung der Menschenrechte, demokratische Prinzipien und die Achtung internationalen Rechts, sagte sie. Ansonsten könne die Kooperation schwierig werden. Sie wolle den Dialog im Rahmen der NATO mit Russland nicht abbrechen. Die Zusammenarbeit hänge aber davon ab, inwieweit diese Grundprinzipien anerkannt würden.
Die Kanzlerin bekräftigte die offenen Türen für eine NATO-Mitgliedschaft von Georgien und der Ukraine. "Georgien und die Ukraine werden Mitglieder der NATO sein", sagte sie. Niemand solle daran Zweifel haben, dass als nächster Schritt der Aktionsplan zur Mitgliedschaft stehe.
Der Westen unterstützt Georgien
Verschiedene weitere westliche Regierungen machten deutlich, dass sie an der territorialen Integrität Georgiens festhalten. "Wir betrachten das als bedauerliche Entscheidung", sagte ein Sprecher des französischen Außenministeriums. Die britische Regierung erklärte, Russlands Entscheidung widerspreche den Verpflichtungen, die das Land mehrfach in UN-Resolutionen übernommen habe. Auch Schweden äußerte sich ablehnend zu dem Schritt Russlands.
Am Tag zuvor hatte US-Präsident George W. Bush gewarnt, eine Anerkennung von Abchasien und Südossetien würde den Waffenstillstand untergraben, den Frankreich zwischen Georgien und Russland vermittelt hatte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die russischen Parlamentsbeschlüsse als völkerrechtswidrig bezeichnet – kurz bevor Medwedew die Anerkennung der Unabhängigkeit bekannt gab.
Russland bricht Kontakte ab
Unterdessen kündigte Russland an, die Zusammenarbeit mit der NATO zu reduzieren. So sei der für Mitte Oktober geplante Besuch von NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer in Moskau abgesagt. "Diese Angelegenheit wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, bis wir uns über unsere neue Beziehung zur NATO im Klaren sind", sagte der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin am Dienstag in Moskau.
Russland plane aber nicht, die durch sein Territorium führende Nachschubroute für die NATO-Truppe ISAF in Afghanistan zu sperren, betonte der Botschafter. Ein Abkommen zum Landtransit nicht-militärischer Güter für Afghanistan war erst im April vereinbart worden. Der russische Botschafter in Kabul, Samir Kabulow, hatte gedroht, das Abkommen zum Landtransit auszusetzen. (det)