HRW: Folter in Ruandas Gefängnissen
15. Oktober 2024Schläge, vorgetäuschtes Ertrinken, Aushungern - davon berichten laut Human Rights Watch (HRW) ehemalige Gefangene aus Ruanda. In vielen Haftanstalten des ostafrikanischen Landes seien "schwere Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter, allgegenwärtig", so die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation in einem jetzt veröffentlichten Report.
Die von den Ex-Häftlingen geschilderten Praktiken werden laut HRW sowohl in offiziellen Gefängnissen als auch in inoffiziellen Haftanstalten angewendet. Ruandas Regierung habe es zudem versäumt, den Vorwürfen nachzugehen.
HRW habe die Regierung in der Hauptstadt Kigali im September wegen der Ergebnisse des Berichts kontaktiert, teilte die Organisation mit. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung an diesem Dienstag habe sie jedoch noch keine Antwort erhalten.
Zustände in Kwa Gacinya "besonders brutal"
Der Bericht fußt demnach auf Gerichtsdokumenten sowie rund 30 Interviews mit Betroffenen aus den Jahren 2019 bis 2024. Sie saßen in drei Haftanstalten ein. Besonders brutal soll demnach das Vorgehen in Kwa Gacinya in der Hauptstadt Kigali sein. Laut HRW handelt es sich dabei um ein von der Polizei kontrolliertes "inoffizielles Gefangenenlager".
Ex-Häftlinge würden ein "System von Misshandlungen, Scheinhinrichtungen, Schlägen und Folter" in Kwa Gacinya bezeugen - Zustände, die bis mindestens 2011 zurückreichen. Dazu gehörten laut Gerichtsdokumenten monatelange Aufenthalte in "sargähnlichen" Zellen und unter Folter erzwungene Geständnisse.
"Es war ein Ort der Angst", beschrieb bereits vor Jahren der Oppositionelle Venant Abayisenga die dortigen Zustände. Während seiner Haft in Kwa Gacinya im Jahr 2017 habe er unter anderem gehört, wie Menschen hingerichtet worden seien, sagt Abayisenga in einem 2020 im Onlinekanal Youtube veröffentlichten Interview. Wenige Monate nach seinen öffentlichen Aussagen über die Haftbedingungen verschwand der Oppositionelle spurlos. Ähnliche Aussagen von Häftlingen trug Human Rights Watch auch aus anderen Gefängnissen des Landes zusammen.
Täter bleiben offenbar meist unbehelligt
Die Regierung in Kigali habe es "versäumt, die wiederholten und glaubwürdigen Foltervorwürfe von Häftlingen oder ehemaligen Häftlingen seit mindestens 2017 zu untersuchen oder anzugehen", kritisiert HRW. Untersuchungen internationaler Organisationen würden "regelmäßig" blockiert. Einem HRW-Mitarbeiter sei im Mai die Einreise verweigert worden.
Bis auf einen hochrangigen Beamten wurde offenbar bislang niemand zur Verantwortung gezogen. Gegenüber den Tätern herrsche mehr oder weniger Straflosigkeit, kritisierte die Organisation.
Dass es auch in Ruanda möglich sei, die tief verwurzelte Praxis der Folter zu durchbrechen, zeige aber ein Urteil von Anfang April. In dem Verfahren sei unter anderem ein Gefängnisdirektor wegen der Ermordung eines Gefangenen zu 15 Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt worden.
Ruanda wird seit 2000 von Präsident Paul Kagame zunehmend autoritär regiert. International steht der 66-Jährige wegen Defiziten bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Kritik.
Schon vor der aktuellen Veröffentlichung von Human Rights Watch gab es seit längerem Vorwürfe, politische Gegner würden in dem ostafrikanischen Land systematisch verfolgt und laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen zum Teil mit Folter zu falschen Geständnissen gezwungen. Andere verschwinden oder sterben bei vermeintlichen "Unfällen". Laut einer aktuellen Statistik des Institute for Crime and Justice Policy Research der Birkbeck-Universität in London hat Ruanda mit 637 Gefangenen pro 100.000 Einwohnern eine der höchsten Inhaftierungsquoten der Welt.
AR/pg (epd, afp)