Habeck und Baerbock wollen an die Grünen-Spitze
10. Dezember 2017Drei Wochen nach dem Ende der Jamaika-Gespräche kommt bei den Grünen Bewegung in die Personaldebatte: Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck will Parteichef Cem Özdemir ablösen. Auch die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock kündigte an, für den Parteivorsitz zu kandidieren.
Die Grünen wählen Ende Januar eine neue Doppelspitze. Özdemir will sich nach neun Jahren nicht noch einmal zur Wahl stellen, Co-Chefin Simone Peter würde gerne im Amt bleiben. Habeck war schon lange als möglicher Erneuerer der Partei im Gespräch. Özdemir und andere Grünen-Promis haben sich für den 48-Jährigen ausgesprochen, den die Basis um ein Haar bereits zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt hätte.
"Pi mal Daumen ein Jahr"
Im Fall seiner Wahl werde er sein Amt als Umwelt- und Agrarminister in Schleswig-Holstein nach einer Übergangszeit aufgeben, sagte Habeck der Tageszeitung "taz". Diese Phase könne "Pi mal Daumen ein Jahr" lang sein. Ein Kreisverband hat für den Januar-Parteitag eine Satzungsänderung beantragt, die, wenn auch nicht vom Zeitrahmen, so doch von der Stoßrichtung her auf den Landesminister zugeschnitten scheint: Bisher dürfen Vorstandsmitglieder nicht Mitglied einer Landesregierung sein - im Antrag wird hierfür nun eine Maximaldauer von sechs Monaten vorgeschlagen.
Die Kandidatur von Habeck und Baerbock, die beide an den Jamaika-Gesprächen von Union, FDP und Grünen beteiligt waren, könnte aber Ärger vor allem beim linken Parteiflügel auslösen. Den Grünen-Vorsitz teilen sich üblicherweise ein Mann und eine Frau, die normalerweise beide Parteiflügel vertreten - den realpolitischen und den linken. Habeck und Baerbock werden allerdings beide zu den Realos gezählt.
"Werde mich einer Erneuerung nicht in den Weg stellen"
"Bisher sind wir gut mit der Quotierung nach Geschlechtern und Flügeln gefahren", sagte Parteichefin Peter der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Es ist gut, dass es uns Grünen nicht an geeignetem Spitzenpersonal mangelt, und auch ich werde mich einer Erneuerung nicht in den Weg stellen." Als Parteivorsitzende sei ihr vor allem wichtig, dass die gesamte Partei dabei mitgenommen werde.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt begrüßte die Kandidatur Habecks. Die Grünen brauchten eine starke Parteiführung. "Und ich würde mich freuen, wenn Robert Habeck dabei ist. Er genießt ausgesprochen hohes Ansehen, nicht nur im Norden", sagte Göring-Eckardt der "Welt". Einen Wettbewerb um die Plätze an der Spitze schloss sie nicht aus: "Warten wir ab, wer alles seine Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt."
Baerbock will ihre Kandidatur nicht von der Flügel-Logik der Grünen abhängig machen. "Im Bundestag kann man rechts der Mitte die Frauen mittlerweile an ein paar Händen abzählen", sagte die 36-Jährige der dpa. "Ich fände es fatal, wenn in einer solchen Situation nun auch noch von uns Grünen der Eindruck entstünde, es drehe sich alles um die Männer, und wenn die sich entschieden haben, kommt die Frau an Mr. X' Seite."
Parallel dazu geht das Rätselraten um Özdemirs Zukunft weiter. Er galt als gesetzt für ein Ministeramt - aber aus Schwarz-Gelb-Grün wurde nichts. Einige Grünen-Realos, darunter Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, würden ihn nun gern als Fraktionschef im Bundestag sehen. Doch an der Fraktionsspitze, die ebenfalls im Januar neu gewählt wird, gelten die gleichen Regeln wie an der Parteispitze.
"Spitzenpolitiker in Bestform"
Der linksgrüne Anton Hofreiter und die Realo-Vertreterin Göring-Eckardt wollen im Amt bleiben, ihre Wiederwahl gilt bisher als sicher. Könnte der Schwabe Özdemir in die Landespolitik ausweichen? Beim Parteitag der baden-württembergischen Grünen am Samstag hatte er sich gemeinsam mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann feiern lassen. Wie lange der 69-Jährige noch im Amt bleibt, ist ebenso offen wie die Nachfolgefrage im Ländle.
Kretschmann lobte Özdemir als "Spitzenpolitiker in Bestform", der eine "führende Rolle" spielen solle - jedoch mit dem Zusatz "im Bund". Özdemir bekräftigte dies. Er sehe seine Zukunft in Berlin, sagte er der "Stuttgarter Zeitung". "Ich bin mit Leidenschaft Abgeordneter und sehe mein Mandat als Verpflichtung für die gesamte Legislaturperiode."
jj/sti (dpa, rtr)