Grüne weiter offen für Gespräche
25. November 2017Zum Glück sei Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron in der Lage die Lücke zu füllen, die in Europa durch die Lähmung Deutschlands entstanden sei. Der Grünen-Vorsitzende gibt sich in seiner Rede zum Auftakt des Parteitags in Berlin betont staatstragend und verantwortungsbewusst. Ungeachtet der bisher gescheiterten Regierungsbildung sei die Bundesrepublik nicht in einer Staatskrise und "Deutschland 2017 ist ganz sicher nicht Weimar", sagte Cem Özdemir. Das Land sei aber nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern sei auch Stabilitätsanker für liberale Demokratie und Klimaschutz in ganz Europa. Und dabei komme den Grünen eine besondere Rolle zu.
"Lindner fehlt es an Demut"
"Wir sind bereit zu Gesprächen mit allen demokratischen Parteien und bereit zu Kompromissen, die Deutschland und Europa voranbringen", hob Özdemir in Berlin hervor. Für das Scheitern der Gespräche für eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen machte er vor allem die Liberalen verantwortlich. Die FDP sei schon 2013 an sich selbst gescheitert, "so wie sie jetzt wieder gescheitert ist." FDP-Chef Christian Lindner fehle es an der "notwendigen Demut". Der Ausstieg der FDP aus den Verhandlungen sei nicht inhaltlich, sondern eindeutig taktisch begründet gewesen.
Die Grünen wollen auf ihrem eintägigen Parteitag die Bundestagswahl und die geplatzten Jamaika-Sondierungen aufarbeiten. Die 14 Mitglieder des Sondierungsteams bekommen Gelegenheit, den rund 850 Delegierten aus ganz Deutschland von den Verhandlungen mit Union und FDP zu berichten. Eigentlich wollte der Parteitag entscheiden, ob die Grünen auf Basis der Sondierungsergebnisse Koalitionsverhandlungen aufnehmen - nach dem Abbruch der Verhandlungen durch die FDP hat sich das aber erledigt.
"Neuwahlen vermeiden"
Debattiert werden dürfte auch über Chancen zu einer Minderheitsregierung mit der CDU/CSU sowie über die Positionierung bei möglichen Neuwahlen zum Bundestag. Der Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, meinte, im Falle von Neuwahlen sollten die Grünen wieder mit denselben Spitzenkandidaten, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, antreten. Zwar wollten die Grünen Neuwahlen vermeiden. Doch "wenn es Neuwahlen gibt, dann sollten wir wieder eigenständig und mit klaren grünen Aussagen in den Wahlkampf gehen".
Der Fraktionschef verteidigte die Kompromisse, die seine Partei während der Jamaika-Sondierungen einzugehen bereit war. "Natürlich wären die Kompromisse teilweise sehr schmerzhaft gewesen, vor allem in der Flüchtlingsfrage", sagte er der "Berliner Zeitung". "Aber das Asylrecht und die Grundsätze der Humanität wären nicht verletzt worden, das war unsere Grundbedingung." Man gehe "gestärkt aus diesen Verhandlungen hervor."
Nach dem Einlenken der Sozialdemokraten
Aus SPD und Union werden erste konkrete Bedingungen für eine Neuauflage der großen Koalition erhoben "Den Auftrag haben wir angenommen, aber billig ist die SPD nicht zu haben", sagte Parteivize Ralf Stegner im ZDF mit Blick auf die anstehenden Gespräche mit der Union über eine Regierungsbildung. Ein Knackpunkt könnte der Flüchtlingskompromiss der Union sein. Eine weitere Begrenzung des Familiennachzugs werde es mit der SPD nicht geben, sagte Stegner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Samstag. Der CDU-Wirtschaftsrat forderte eine klare Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen.
Die SPD hat ihr kategorisches Nein zur einer Regierungsbeteiligung auf Druck von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aufgegeben. Für Donnerstag hat Steinmeier SPD-Chef Martin Schulz, Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen, um weitere Schritte auszuloten.
Noch am Montag hatte die SPD-Spitze für Neuwahlen plädiert. Schulz verteidigte jetzt die Kehrtwende. Es gehe darum, dass die SPD - egal, was sie tue - das Leben der Menschen ein Stück besser mache. Die Partei müsse überlegen, aus welcher Position dies am besten möglich sei, sagte er am Freitagabend auf dem Juso-Kongress in Saarbrücken.
"Merkel kann keine Bedingungen stellen"
Die rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärte, die SPD könne selbstbewusst in die Gespräche mit der Union gehen: "Frau Merkel ist bei Lage der Dinge doch nicht in einer Position, in der sie Bedingungen stellen kann", sagte die SPD-Politikerin dem "Trierischen Volksfreund".
Dreyer und Stegner betonten, dass die Kehrtwende nicht zwangsläufig zu einer großen Koalition führen werde. Ihre Partei werde sich von der CDU nicht erpressen lassen, sagte Dreyer. Merkel kenne das Wahlprogramm der SPD.
SC/sti (afp, dpa, phoenix)