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Politik

Minderheitsregierung, GroKo, Neuwahlen...

25. November 2017

Nach dem Nein der FDP bei den Jamaika-Sondierungen kommen die Grünen auf einem Parteitag zusammen. Über eine mögliche Koalition müssen sie nicht mehr abstimmen. Dafür kommen wieder neue Regierungsmodelle ins Spiel.

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Bundesparteitag der Grünen (Foto: picture alliance/dpa/C. Charisius)
Bild: picture alliance/dpa/C. Charisius

In Berlin hat der Parteitag der Grünen begonnen. 850 Delegierte beraten über ihre künftige Rolle nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen. Ursprünglich sollte dort über den Einstieg in Koalitionsverhandlungen entschieden werden. Die Grundlage dafür hatte das Grünen-Sondierungsteam um Kathrin Göhring-Eckardt und Cem Özdemir mit Unions-Vertretern und der FDP ausgehandelt. "Die Entscheidung, dieses Gesamtpaket zu bewerten und Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, hätte dann bei der Bundesdelegiertenkonferenz gelegen", heißt es in dem Leitantrag der Grünen-Spitze. Nach dem Aus der Jamaika-Sondierungen durch die FDP muss der Parteitag nun nicht über diese Kompromisse abstimmen.

Grüne brauchen SPD

Nach dem Scheitern der Jamaika-Variante geht die Debatte um die künftige Regierungbildung munter weiter. Als ein mögliches Szenario bliebe eine schwarz-grünen Minderheitsregierung. Diese sieht Grünen-Politiker Jürgen Trittin jedoch skeptisch. "Gerade wir Grüne sollten uns keinen Illusionen hingeben. Für grüne Kernanliegen wie Klimaschutz oder Familiennachzug für Geflüchtete gibt es derzeit keine Mehrheit im Bundestag - erst recht nicht mit der SPD", sagte Trittin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er könne sich nicht vorstellen, dass die SPD einem schwarz-grünen Bündnis permanent ihre Zustimmung oder Enthaltung garantieren würde. "Das aber wäre die Grundlage für ein Tolerierungsabkommen", sagte Trittin weiter. "Das Gerede über Minderheitsregierungen ist der unglückliche Versuch der SPD, sich hinauszumanövrieren aus der Sackgasse, in die sie sich mit ihrer frühzeitigen Absage an eine große Koalition gebracht hat."

Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: "Ich sehe nicht, wie der Kohleausstieg in einer Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten durchsetzbar wäre", sagte sie der "Rhein-Neckar-Zeitung". "Sie würde sicher nicht als stabil wahrgenommen und wäre es wahrscheinlich auch nicht. Und Deutschland braucht eine stabile Regierung."

Neue Wettbewerbssituation im Bundestag 

Anders sieht dies CDU-Politiker Norbert Röttgen. "Ich halte eine Minderheitsregierung für eine Option, die wir unbedingt bedenken sollten - sie ist nicht die schlechteste", sagte Röttgen der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Sie würde eine ganz andere Form der Politikgestaltung ermöglichen, die das Parlament ins Zentrum rücke. "Mehr Parlament wagen, könnte die Devise sein." Eine völlig neue Wettbewerbssituation könne der Politikverdrossenheit vieler Bürger entgegenwirken, so der langjährige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. "Bei unterschiedlichen Themen würden sich die gesellschaftlichen Mehrheiten viel stärker durchsetzen als bei einer großen Koalition. Einer Neuauflage eines Bündnisses der Union mit der SPD steht Röttgen ablehnend gegenüber: "Große Koalitionen galten in der Vergangenheit zu Recht als Ausnahmen, auch weil sie das Prinzip von Regierung und starker Opposition aushebeln."

Nach der Bundestagswahl mit dem Einzug von sieben Parteien ins Parlament werden nun auf Druck von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Alternativen geprüft. Nachdem der SPD-Parteivorstand noch am Montag erklärt hatte, die Partei stehe für ein Bündnis mit der Union nach wie vor nicht zur Verfügung, revidierte Parteichef Martin Schulz dies nach einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten. Die SPD stehe zu Gesprächen auch über eine Regierungsbeteiligung zur Verfügung, wolle aber letztlich dann die Mitglieder entscheiden lassen. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer betonte, es gehe in diesen Gesprächen erst einmal darum, Positionen auszuloten. Auch wenn man sich dem Wunsch von Steinmeier nach Gesprächen nicht verweigere, heiße das nicht automatisch, dass man über eine große Koalition verhandele, so Dreyer. Weiter sagte sie: "Was die SPD politisch umsetzen will, hat sie klar im Wahlprogramm formuliert." Das wisse die CDU-Vorsitzende Angela Merkel.

Kehrtwende der SPD?

Bundesjustizminister Heiko Maas rief seine Genossen auf, offen für eine Regierungsbeteiligung zu sein. "Nach dem Scheitern von Jamaika und dem dringenden Appell des Bundespräsidenten kann die SPD sich auch nicht hinstellen und sagen: Wir reden aber mit niemandem", sagte Maas in einem Interview der "Saarbrücker Zeitung". "Grundsätzlich können wir über alles reden und sollten nichts von vornherein ausschließen."

Maas äußerte sich skeptisch zu Überlegungen, die SPD könne eine Unions-Minderheitsregierung tolerieren. "Wir dürfen nicht riskieren, dass Deutschland am Ende handlungsunfähig wird, weil keine Mehrheiten mehr zustande kommen, oder weil man von den Stimmen der AfD abhängig wird." Deutschland könne sich als politisches und wirtschaftliches Schwergewicht in Europa auf Dauer nicht leisten, keine funktionierende Regierung zu haben.

Die Wirtschaft meldet sich

Der Wirtschaft kommt nach Ansicht des Betriebsratschefs von Volkswagen, Bernd Osterloh, eine Neuauflage der großen Koalition entgegen. "Ich plädiere im Sinne einer Stabilität für unser Land dafür, dass die SPD noch einmal sehr ernsthaft prüft, ob sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht doch für eine Koalition zur Verfügung steht", sagte Osterloh. "Wir als Arbeitnehmer wären der SPD dafür in Zeiten, die zunehmend unsicherer werden, dankbar." Osterloh sagte, gerade die Beschäftigten der Automobilindustrie stünden vor gewaltigen Herausforderungen. "Wir werden gemeinsam den Wandel in der Branche begleiten müssen. Wir brauchen Antworten auf die wichtigen Infrastrukturfragen für die E-Mobilität. Wir brauchen aber auch Antworten für den Standort Deutschland." Tendenziell würde es durch die steigende Produktivität und die sinkende Fertigungstiefe bei der E-Mobilität sinkende Arbeitsplatzzahlen bei der Automobilindustrie geben, so das SPD-Parteimitglied Osterloh.

sam/sti (AFP, dpa, rtr)