Riesenprotest in Hongkong
9. Juni 2019Die Zahl wurde am Sonntagabend verkündet, als der Protestmarsch noch andauerte. Damit ist die Teilnahme an der Massendemonstration gegen die Pläne der Regierung für ein umstrittenes Auslieferungsgesetz größer als bei dem Massenprotest am 1. Juli 2003, der das kontroverse nationale Sicherheitsgesetz zu Fall brachte. Ursprünglich hatten die Organisatoren mit mindestens 500.000 Demonstranten gerechnet.
Die Polizei, die mit 2000 Beamten vor Ort war, erklärte, zum Höhepunkt der Demonstration seien 240.000 Personen gezählt worden. Nach stundenlang friedlichen Kundgebungen kam es Augenzeugen zufolge am Abend zu Zusammenstößen von Demonstranten mit der Polizei. Die Beamten setzten Pfefferspray ein.
Breiter Widerstand gegen Regierungspläne
In den vergangenen Monaten war es immer wieder zu Protesten gegen das Gesetzesvorhaben gekommen. Am Donnerstag hatten rund 3000 schwarz gekleidete Anwälte gegen das Gesetz demonstriert. Die Juristen waren wortlos vom Berufungsgericht zum Regierungssitz marschiert, wo sie drei Schweigeminuten abhielten.
"Wenn die Vorlage Gesetz wird, können wir nicht mehr für die Sicherheit von irgendwem garantieren, der in Hongkong lebt oder arbeitet oder auch nur durchreist", sagte der Anwalt und Pro-Demokratie-Aktivist Martin Lee.
Kritiker sehen Rechte von Verdächtigen gefährdet
Das Gesetzesvorhaben soll Auslieferungen künftig in jegliche Rechtssysteme möglich machen, ohne dass dafür ein entsprechendes Abkommen mit dem jeweiligen Land nötig ist. Kritiker befürchten, dass Chinas Justiz damit die Auslieferung von Verdächtigten aus der früheren britischen Kronkolonie Hongkong beantragen kann, ohne dass deren Rechte ausreichend geschützt werden. Es wird bemängelt, dass das Justizsystem in China weder unabhängig sei noch internationalen Standards entspreche und zudem politisch Andersdenkende verfolge.
Hongkong wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als eigenes Territorium autonom regiert. Die sieben Millionen Einwohner der chinesischen Sonderverwaltungsregion genießen größere politische Freiheiten als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit.
jv/kle (dpa, rtr)