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Der umkämpfte Parteitag

Michael Knigge18. April 2016

Es ist nicht sicher, aber so wahrscheinlich wie lange nicht: Wenn kein Bewerber über die notwendige Delegiertenmehrheit verfügt, könnte der republikanische Präsidentschaftskandidat erst auf dem Parteitag gekürt werden.

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Kombobild Donald Trump, Ted Cruz, John Kasich
Bild: picture-alliance/AP Photo

Es gibt noch zwei realistische Möglichkeiten wie das republikanische Rennen um die Präsidentschaftskandidatur entschieden wird: Entweder gewinnt Donald Trump in den noch ausstehenden Vorwahlen die notwendige Mehrheit an Delegierten. Oder aber der Kandidat wird erst auf dem Nominierungsparteitag bestimmt, da keiner der Bewerber vorher die Delegiertenmehrheit erreicht hat. Andere Szenarien, wie etwa dass Ted Cruz seinen Rivalen Trump auf der Zielgeraden der Vorwahlen überholt und sich noch die Delegiertenmehrheit sichert, sind rechnerisch möglich, aber unwahrscheinlich.

Selbst für den in Führung liegenden Trump ist es nach seinen letzten Niederlagen schwieriger, wenn auch nicht unmöglich geworden, in den ausstehenden Vorwahlen noch auf die nötigen Delegiertenstimmen zu kommen. So halten inzwischen 90 Prozent der Teilnehmer einer vom Online-Magazin "Politico" befragten republikanische Expertenrunde eine Kampfabstimmung auf dem Nominierungsparteitag für wahrscheinlich. Vor einem Monat glaubte das nur rund die Hälfte der Partei-Insider.

Keine Erfahrungswerte

Sollte es tatsächlich dazu kommen, ist der Ausgang nach der ersten Wahlrunde völlig offen. Im ersten Wahlgang ist die große Mehrheit der von den Einzelstaaten entsandten Delegierten noch zum Votum für den Sieger der Vorwahl in ihrem Bundesstaat verpflichtet. Zudem können für die erste Wahlrunde nach den derzeit geltenden Regeln nur Kandidaten nominiert werden, die Delegiertenmehrheiten in mindestens acht Staaten gewonnen haben.

Aber mit jeder weiteren Wahlrunde lockert sich die von der Partei in den einzelnen Staaten eigenständig festgelegte Wahlpflicht. Ab der zweiten, spätestens jedoch nach der dritten Wahlrunde sind die meisten Delegierten nicht mehr an den Sieger in ihrem Staat gebunden und können selbst entscheiden, für wen sie stimmen.

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Vor dem letzten Nominierungsparteitag stand Mitt Romney schon als Kandidat fest.Bild: picture-alliance/dpa

Dass es soweit kommt, ist äußerst selten. Der letzte republikanische Nominierungsparteitag, bei dem es mehr als einen Wahlgang gab, fand 1948 statt. Der letzte Parteitag, bei dem der führende Kandidat vor dem ersten Wahlgang keine Mehrheit der Delegierten, hatte war vor 40 Jahren. Da eine sogenannte "contested convention", also ein umkämpfter Nominierungsparteitag extrem selten ist, gibt es kaum Erfahrungswerte und der Ausgang ist völlig offen.

"Ich lag in diesem Wahljahr bisher immer falsch, deswegen habe ich es aufgegeben zu versuchen, den Wahlausgang vorherzusagen", sagt Peter Feaman aus Florida, Mitglied im wichtigsten Republikaner-Parteigremium "Republican National Committee". Zumindest darüber, wen er selbst als wahrscheinlicher Delegierter Floridas wählen wird, muss sich Feaman, der schon ein Hotelzimmer für den Nominierungsparteitag in Cleveland für Juli gebucht hat, keine Gedanken machen. Seine Stimme wird an Donald Trump gehen, der Florida klar gewonnen hat.

"Ich muss", sagt Feaman, "die Regeln meiner Partei schreiben es vor. Erst nach der dritten Wahlrunde dürfen sich die Delegierten aus Florida selbst entscheiden."

Kasichs Kalkül

Die Stimme des Republikaners Tom Rath dagegen bekommt John Kasich. Rath ist Kasichs Wahlkampfleiter in New Hampshire. Kasich ist der Dritte noch aktiv um die Nominierung kämpfende Kandidat und New Hampshire einer der wenigen Staaten, die er bislang gewinnen konnte. Ziel der Kasich-Kampagne ist es deshalb, zu verhindern, dass Trump in den kommenden Vorwahlen die notwendige Delegiertenmehrheit bekommt - und dann auf einen Umschwung auf dem Parteitag zu Gunsten Kasichs zu hoffen.

"Niemand in unserem Lager glaubt, dass wir im ersten oder zweiten Wahlgang vorne liegen", sagt Rath. "Das wäre unrealistisch." Aber je mehr Wahlgänge es gibt, desto mehr Delegierte sind nicht mehr an den Wahlsieger in ihrem Staat gebunden, sondern können selbst entscheiden, wen sie wählen. Dann, so hofft Rath, schlägt Kasichs Stunde. Denn bis dahin werde klar sein, dass Hillary Clinton für die Demokraten ins Rennen geht, und dass der moderate Kasich bessere Chancen hat, sie zu schlagen als die Radikal-Republikaner Trump oder Cruz.

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Der Kampf um die republikanischen Delegierten hat bereits begonnen.Bild: Getty Images

Raths Parteifreund aus Florida, Peter Feaman, hält es dagegen für falsch, wenn jemand wie Kasich, der nur wenige Staaten gewonnen hat, zum Kandidaten gekürt würde: "Wenn das passiert, warum veranstalten wir dann überhaupt über Monate hinweg Vorwahlen in den verschiedenen Staaten?"

Das Szenario ist aus heutiger Sicht tatsächlich unwahrscheinlich - wie vieles andere in diesem Wahljahr. Auszuschließen ist es aber nicht. Was passieren würde, wenn es tatsächlich zu mehreren Wahlgängen kommt, vermag selbst Kasich-Berater Rath nicht zu sagen. "Das ist völliges Neuland", gibt er zu. "Niemand weiß genau, was passieren wird. Und ich finde das wirklich aufregend."

Kampf um Auswahl der Delegierten

Noch aufregender wird der Ablauf, weil weder die Regeln für den Parteitag noch die meisten Delegierten selbst bislang feststehen. Zwar gibt es ein bestehendes Regelwerk, aber eine Woche vor dem Parteitag trifft sich die Regelkommission, um darüber zu beraten und es wenn nötig anzupassen. Normalerweise eine reine Formsache. Verfügt jedoch kein Kandidat über eine Mehrheit, könnten die Regeln das Zünglein an der Waage spielen. Und besonders wichtig: Beim Festlegen des Regelwerks sind die Delegierten nicht an den Wahlsieger in ihrem Staat gebunden.

Den von den Einzelstaaten benannten Delegierten kommt deshalb bei einem Nominierungsparteitag ohne feststehenden Sieger gleich doppelte Bedeutung zu: Erstens, weil sie die Regeln beschließen. Und zweitens, weil sie nach Ablauf der ersten oder zweiten Wahlrunde selbst entscheiden können, welchen Kandidaten sie wählen.

Deshalb wird hinter den Kulissen zwischen den Kandidaten bereits heftig um die Auswahl der Delegierten gekämpft, erklärt Josh Putnam, Politikwissenschaftler an der Universität von Georgia und Betreiber des Frontloading-Wahlblogs. "Diese Schritte sind unwahrscheinlich wichtig, lange bevor es überhaupt zur Wahl des Präsidentschaftskandidaten kommt."

Sollte es tatsächlich zu einem Parteitag mit offenem Ausgang kommen, dann bedeutet dies je nach Sichtweise entweder Wahlchaos oder ein "tolles Training in politischer Bildung für das ganze Land" wie es Kasich-Berater Rath formuliert: "Ich habe an acht Nominierungsparteitagen hintereinander teilgenommen, aber nie sind wir über den ersten Wahlgang hinausgekommen."