Gestatten: Ted Cruz, elitärer Ideologe
6. April 2016Zwei Ereignisse ergeben zusammen ein gutes Bild von Ted Cruz' Politikstil. Das erste ist ein Wahlkampfvideo aus dem letzten Sommer. Es zeigt den Senator aus Texas wie er einen Streifen Schinkenspeck zubereitet, indem er ihn um den Lauf eines halbautomatischen Gewehrs wickelt und so lange feuert, bis der Speck fertig gebraten ist.
Ob manipuliert oder nicht, die Aussage des Videos und welches Publikum es ansprechen soll, ist klar. Cruz wendet sich an US-amerikanische Hardcore-Konservative, die in der ständigen Angst leben, dass die Regierung ihnen ihre Waffen wegnehmen will - egal wie unrealistisch diese Aussicht tatsächlich ist. Die Wörter Pistole und Texas klingen für diesen Flügel der republikanischen Partei in etwa so positiv wie sich die Idee, Speck mit einer halbautomatischen Waffe zu braten, lustig anhört. Sie glauben damit den vermeintlich liberal-dominierten Mainstream provozieren zu können - deshalb gefällt ihnen die Vorstellung besonders gut.
Eine Marathon-Rede gegen "Obamacare"
Die zweite Begebenheit, die Cruz' Politikstil ebenso beispielhaft illustriert wie seinen ideologischen Eifer, ist eine über 20 Stunden lange Rede. Damit versuchte er 2013 die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama zu blockieren - obwohl er von Anfang an wusste, dass "Obamacare" vermutlich weiter bestehen und seine Bemühungen umsonst sein würden.
Aber darum ging es ihm nicht in seiner Rede, in der er unter anderem Ausschnitte aus dem US-Kinderbuchklassiker "Green Eggs and Ham" von Theodor Seuss Geisel zitierte. Vielmehr wollte sich der frischgebackene texanische Senator abseits der gewöhnlichen politischen Kreise einen Namen machen und sich ausserdem als Stimme für die große Fraktion missmutiger US-Amerikaner profilieren, deren größter politischer Wunsch es ist, Präsident Barack Obama irgendwie aus dem Weißen Haus zu drängen. In beiden Punkten war Cruz erfolgreich.
Dass Ted Cruz zum Liebling der gegen das Establishment gerichteten Tea Party-Bewegung werden konnte, erscheint vor dem Hintergrund seines bisherigen Werdegangs paradox. Er hat Abschlüsse der Elite-Hochschulen Princeton und Harvard, arbeitete für den Chef des Obersten Gerichtshofes und später in der Regierung George W. Bushs. Das Bild wird abgerundet durch die berufliche Tätigkeit seiner Frau, einer Investmentbankerin bei Goldman Sachs.
Die Sprache der Basis
Trotz seiner Eliteausbildung und der Tatsache, dass er in Kanada geboren wurde, spricht Cruz die Sprache der republikanischen Basis offensichtlich fließend genug, um die Vorwahl in Wisconsin zu gewinnen. Seine Anziehungskraft auf die Ultrakonservativen wird dadurch verstärkt, dass er Mitglied der Southern Baptist Convention ist, der größten protestantischen Glaubensgemeinschaft der USA, die für ihre konservativen Einstellungen bekannt ist. Sein Vater, ein kubanischer Migrant, ist außerdem als evangelikaler Prediger bekannt.
Während Cruz von Unterstützern der Tea Party-Bewegung gefeiert wird, verabscheut ihn das Establishment der Republikanischen Partei. Zu oft hat er Parteivorsitzenden im Kongress gezeigt, was er von ihnen und ihrer Art Politik zu machen, hält - nämlich sehr wenig. So nannte er den republikanischen Mehrheitsführer Mitch McConnell im Senat einen Lügner und inszenierte den Stillstand der Regierung in 2013 gegen den Willen vieler republikanischer Kongressabgeordneter. Ein Haushaltsstreit zwischen Republikanern und Demokraten hatte damals die gesamte Verwaltung lahmgelegt.
In seinen drei Jahren im Senat machte Cruz deutlich, dass er sich Parteihierarchien und Loyalitäten nicht verpflichtet fühlt. Eine Republikanische Partei, wie sie sich Ted Cruz und andere Ultrakonservative wünschen, ginge keine als faul wahrgenommenen Kompromisse mit den Demokraten ein und würde den Umfang der US-Bundesregierung drastisch verkleinern.
Die Zukunft der Republikanischen Partei
Cruz' offene Geringschätzung für Partei-Etikette kommt bei den Republikaner-Ältesten nicht gut an. So haben seine Kollegen im Senat John McCain und John Boehner ihn bereits öffentlich mit Schimpfwörtern tituliert. Doch Boehner wurde bereits von radikalen Republikanern verdrängt und der 79-jährige McCain repräsentiert ebenfalls nicht die Zukunft der Partei.
Der 45-jährige Cruz könnte sie repräsentieren. Seine kurze Amtszeit im Kongress und seine Präsidentschaftskampagne deuten jedenfalls daraufhin, dass Cruz' Vorstellung der zukünftigen Republikanische Partei der vergangenen nicht sehr ähnlich sein dürfte.