Reporter unerwünscht
6. März 2020Reporter im türkisch-griechischen Grenzgebiet in der Nähe der westtürkischen Stadt Edirne klagen über erschwerte Arbeitsbedingungen. Nach Angaben von Reportern der Deutschen Welle – die sowohl auf der griechischen als auch auf der türkischen Seite vor Ort sind – behinderten Behören zunehmend die Berichterstattung.
"Von der anfangs guten Behandlung in- und ausländischer Journalisten ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die Polizei hat in der ersten Nacht noch Kekse an die Journalisten verteilt. Mittlerweile nimmt sie Personalien auf oder inhaftiert sogar Journalisten", sagt DW-Reporter Tunca Ögreten, der von der türkischen Seite der Grenze aus berichtet.
Die türkische Polizei habe, so der Korrespondent, am Donnerstagmorgen die Straßen zum Grenzübergang Pazarkule für Journalisten geschlossen. Reporter dürften nur von einer fünf Kilometer entfernen Kreuzung aus berichten.
Verhaftungen von Journalisten
In den letzten Tagen seien über zehn in- und ausländische Journalisten festgenommen worden. Der Reporter İdris Sayılgan von der türkischen Nachrichtenagentur Mezopotamya sei sogar inhaftiert worden; wurde aber nach Berufung wieder freigelassen, berichtet Ögreten.
Auch die tschechische Journalistin Petra Prochazkova, die vor Ort für die Zeitung "Denikn" berichtet, sei von der Polizei festgenommen worden. Die Journalistin sagte der DW, man habe ihre Kamera, ihr Diktiergerät, ihr Telefon und ihren Computer beschlagnahmt. Man habe sie sechs Stunden auf einer Polizeistation festgehalten und sie anschließend ohne Begründung wieder freigelassen.
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu reiste am Donnerstag in das Grenzgebiet, um Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Auf die Rückfrage eines türkischen Journalisten habe der Innenminister mit der Gegenfrage "Auf welcher Seite stehst du überhaupt? Es sieht nicht danach aus, dass Du auf der Seite der Türkei stehst" reagiert, berichtet Ögreten.Militärische Abschottung
Kostas Simeonidis ist auf der griechischen Seite für die Deutsche Welle im Einsatz. Auch der griechische Reporter berichtet von massiven Einschränkungen für Journalisten im Grenzgebiet. "Seit Donnerstagmorgen haben Journalisten in Griechenland keinen Zugang mehr zum Grenzübergang von Kastanies. Journalisten und Fernsehteams bekamen einmal pro Tag die Gelegenheit, die vom Militär und von der Polizei streng bewachte Zone zu betreten. Nun hat die griechische Armee bis auf Weiteres und ohne Begründung den Zugang zum Hotspot verboten", so Simeonidis.
"Die Versuche der Journalisten, sich dem Fluss Evros (Anm. d. Red.: der Grenzfluss wird auf Türkisch Meric bezeichnet) zu nähern, scheitern meistens an der starken Präsenz von Polizei und Militär. Aufgegriffene Journalisten müssen sich ausweisen und werden aufgefordert, die Umgebung umgehend zu verlassen." Der Schritt werde damit begründet, dass es sich um eine militärische Zone handele, berichtet Simeonidis.
Athen kontrolliert Informationsfluss
Zurzeit seien die einzigen Informationsquellen offizielle Pressemitteilungen der griechischen Regierung - meistens Statements des Regierungssprechers. Oft handele es sich um Verkündungen von "erfolgreichen Zurückweisungen" und Verhaftungen von Migranten, die "illegal griechisches Territorium betreten haben", führt der DW-Reporter weiter aus. Da es keinen Zugang gebe, könnten die Reporter jedoch die Aussagen nicht bestätigen. Hinzu kommen Berichte von mutmaßlichen Einflussnahmen der Regierung auf die Arbeit der Journalisten.
Vor sieben Tagen kündigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an, dass die EU-Grenze geöffnet sei. Tausende Migranten und Flüchtlinge machten sich daraufhin auf den Weg nach Edirne – doch die griechischen Grenzpolizisten ließen niemanden durch. Sie vertrieben die Menschengruppen mit Tränengas und Wasserwerfern.
In der Hoffnung, doch noch die Grenze zu passieren, harren nach wie vor viele Migranten und Flüchtlinge an der Grenze aus. Nun hat die Türkei 1000 Spezialkräfte an die Grenze zu Griechenland geschickt, um zu verhindern, dass die Migranten und Flüchtlinge von dem Grenzübergang Pazarkule wieder zurückgedrängt werden.