Rekordanstieg bei Erzeugerpreisen
20. August 2021Die Zahlen haben es in sich: Im Juli legten die Erzeugerpreise im Jahresvergleich um 10,4 Prozent zu, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mit. Das war der stärkste Anstieg seit Januar 1975, als die Preise in Folge der Ölkrise stark angestiegen waren. Die Folge waren das Ende des Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit, Millionen Arbeitslose und eine steigende Staatsverschuldung.
Experten wurden von der aktuellen Stärke des Anstiegs der Erzeugerpreise überrascht. Sie hatten mit einer Jahresrate von deutlich unter zehn Prozent gerechnet.
Zum Vormonat erhöhten sich die Erzeugerpreise im Juli um 1,9 Prozent. Stärkste Preistreiber bleiben die so genannten Vorleistungsgüter und Energie, wie das das Bundesamt erklärte. Energie war im Schnitt 20,4 Prozent teurer. Vorleistungsgüter kosteten auf Jahressicht durchschnittlich 15,6 Prozent mehr.
Vorleistungsgüter sind Erzeugnisse, die überwiegend für Unternehmen bestimmt sind und dort im Produktionsprozess verbraucht, verarbeitet oder umgewandelt werden, so die Definition des Statistischen Bundesamtes. Dazu zählen Metalle, Holz, chemische Grundstoffe, Gummi- und Kunststoffwaren, Papier und Karton sowie elektronische Bauelemente.
"Hauptgründe für den starken Anstieg der Stahl- und Holzpreise dürften die hohe Nachfrage im In- und Ausland sowie Probleme bei der Versorgung mit Rohstoffen sein", erklärte das Statistische Bundesamt. Bei den Stahlpreisen seien kräftige Preissteigerungen für Eisenerzimporte hinzugekommen.
Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem kräftigen Plus von 9,2 Prozent gerechnet, nachdem die Steigerungsrate im Juni 8,5 Prozent betragen hatte. Dass es so stark ausfallen würde, kam jedoch völlig überraschend.
Drei Viertel aller Unternehmen erhöht Verbraucher-Preise
Von A wie Aluminium bis Z wie Zellstoffvlies: Materialengpässe und höhere Beschaffungskosten belasten inzwischen die große Mehrheit der Unternehmen. Daher haben 88 Prozent mit höheren Einkaufspreisen zu kämpfen, wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bei seiner Umfrage unter fast 3000 Betrieben herausfand. Die Folge: Zwei Drittel sehen sich gezwungen, gestiegene Kosten an ihre Kunden weiterzugeben.
CO2-Abgabe und Pandemiefolgen treiben Energiekosten
Grund für den starken Anstieg der Energiekosten von mehr als 20 Prozent sei vor allem der so genannte Basiseffekt: Nachdem die Energiepreise in der Corona-Krise zeitweilig massiv eingebrochen waren, stiegen sie entsprechend stark, nachdem Fabriken wieder ihre Produktion aufnahmen und die Menschen wieder mehr Auto fuhren. Daneben hatte die seit Januar zusätzlich anfallende deutsche CO2-Bepreisung auf Brennstoffe wie Mineralölerzeugnisse und Erdgas einen spürbaren Einfluss. Dazu kam, dass die Mehrwertsteuer, die von der Bundesregierung zur Stützung der Konjunktur vorübergehend von 19 auf 16 Prozent gesenkt worden war, im Januar wieder auf ihr Niveau vor der Pandemie angehoben wurde.
Bei den Vorleistungsgütern verteuerte sich allein Nadelschnittholz um 111 Prozent im Vergleich zum Juli 2020. Die Preise für metallische Sekundärrohstoffe aus Eisen-, Stahl- und Aluminiumschrott verdoppelten sich, aber auch Betonstahl in Stäben kostete mit einem Plus von 82 Prozent erheblich mehr als noch im Vorjahresmonat. Bei Roheisen, Stahl und Eisenlegierungen lag der Aufschlag bei 52,3 Prozent.
Inflationssorgen bekommen neue Nahrung
Die Produzentenpreise gelten als Frühindikator für die Entwicklung der Inflation. In der Statistik werden die Preise ab Fabrik geführt - also bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Sie können damit einen frühen Hinweis auf die Entwicklung der Verbraucherpreise geben. Die Inflationsrate liegt derzeit mit 3,8 Prozent so hoch wie seit 1993 nicht mehr und könnte sich Ökonomen zufolge im weiteren Jahresverlauf Richtung fünf Prozent bewegen.
tko/hb (rtr, dpa, afp)