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Politik

Reise durch die Krisenherde Europas

Barbara Wesel
1. März 2017

Vier Tage lang besucht die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die westlichen Balkanländer. Sie findet mehr Krisen und Probleme denn je. Und das politische Interesse in Brüssel scheint zu schwinden.

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Frankreich Balkan-Gipfel in Paris
Bild: Getty Images/AFP/S. de Sakutin

 1. Tag: Montenegro

"Montenegro ist die gute Geschichte auf dem westlichen Balkan", heißt es im Außen-Ausschuss des Europaparlaments, es sei das am meisten fortgeschrittene unter den Beitrittsländern. Aber das Lob ist relativ. Bei der Korruptionsbekämpfung und der Pressefreiheit gibt es weiterhin kaum Fortschritte. Tätliche Angriffe gegen Journalisten zum Beispiel sind an der Tagesordnung. Immerhin wurden bereits 26 von 35 Beitritts-Kapiteln eröffnet. Außerdem soll  Montenegro noch in diesem Jahr in die Nato aufgenommen werden. Dafür sind die politischen Voraussetzungen allerdings weit niedriger.

Im Oktober erschütterte das Land ein Putschversuch, für den die Regierung den russischen Geheimdienst verantwortlich macht. Beobachter vermuten, dass Moskau den Nato-Beitritt des kleinsten Balkanstaates hintertreiben wollte. Die gleichzeitigen Neuwahlen im Herbst galten immerhin als halbwegs demokratisch. Sorge macht sich die EU vor allem um die Wirtschaftsentwicklung in Montenegro: Ein Wachstum von rund 5 Prozent ist mit massiver Neuverschuldung erkauft. Brüssel mahnt zu Sparmaßnahmen.

2. Tag: Bosnien

Bosnien leidet weiter an den politischen Folgen der Balkankriege und gilt im Grunde als "failed state". Um die drei Volksgruppen zu vertreten - Serben, Kroaten, Bosnier - entstand ein Gestrüpp von Regierungs- und Verwaltungsstrukturen, das nicht reformierbar scheint. Das Land mit nur 3,5 Millionen Einwohnern hat 150 Minister und 600 Abgeordnete. Der politische Apparat blockiert alle Reformversuche und damit den Fortschritt in Richtung Europa. Zwar hat Bosnien im Februar 2016 einen Aufnahme-Antrag gestellt, aber die Aussichten gelten als schlecht. Nach wie vor sind 600 EUFOR-Soldaten im Land stationiert, um Ausbrüche von Gewalt zu verhindern.

Bosnien und Herzegowina mit Kreativität gegen Arbeitslosigkeit
Kleine Produzenten im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit Bild: DW/Z. Ljubas

Die komplizierten politischen Strukturen haben die Verständigung unter den Volksgruppen nicht befördert. Im Gegenteil: Es herrschen weiter Hass und Provokationen.  "Alle sollten diese Art von Rhetorik unterlassen und sich darauf konzentrieren, was die Menschen brauchen", sagt EU-Kommissar Johannes Hahn. Das wäre vor allem wirtschaftlicher Fortschritt: Die Arbeitslosigkeit in Bosnien verharrt bei rund 40%, die Wirtschaft liegt weiter am Boden.

2. Tag: Mazedonien

Auch in Mazedonien sind die Gräben noch sehr tief: Die Konflikte zwischen der mazedonischen und der albanischen Volksgruppe  brechen immer wieder auf und demokratische Strukturen sind zunehmend gefährdet. Beobachter befürchten seit längerem, Mazedonien könne in eine Art Diktatur abgleiten. Langzeit-Machthaber Nikola Gruevski hatte sein Amt erst nach starkem Druck aus Brüssel aufgegeben. Und die Wahlen im Dezember konnten - nach mehrmaliger Verschiebung - die politische Krise nicht lösen. Denn seitdem blockiert der Staatspräsident die Bildung einer neuen Regierung aus Oppositionspolitikern und albanischer Minderheit. "Es gibt keine Zeit zu verlieren", sagte EU-Kommissar Johannes Hahn bei seinem jüngsten Besuch, aber seine Appelle bleiben bislang ungehört.

Das Europaparlament fordert Mazedonien darüber hinaus erneut zu echten Reformen bei Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung auf. Gleichzeitig kritisieren die Berichterstatter Rückschritte bei der Justizreform, etwa der Vergabe von Richterposten. Das Land befindet sich in einer Negativ-Spirale, die Aussichten für einen EU-Beitritt werden eher schlechter.

Mazedonien Besuch österreichischer Außenminister Kurz
Österreichs Außenminister Kurz und sein mazedonischer Kollege Nikola Poposki bei der Kontaktpflege Bild: picture-alliance/AA/B. Ademi

3. Tag: Serbien

Serbien verhandelt seit 2014 über den EU-Beitritt und die Berichterstatter im Europaparlament sehen die Entwicklung teilweise positiv: Es gebe Fortschritte bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftsreformen. Allerdings kritisieren die Abgeordneten auch hier Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit und beim Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität.  

Lange galt Serbien als Musterfall und sicherer Kandidat für den EU-Beitritt. In jüngster Zeit allerdings hat sich das Verhältnis zum Kosovo dermaßen verschlechtert, dass Brüssel wieder als Vermittler zwischen beiden Ländern auftritt. Beide Seiten werfen sich Provokationen vor, wobei in Belgrad nationalistische Töne zugenommen haben. Insgesamt ist der Einfluss Moskaus auf Serbien gestiegen und eine Mehrheit im Land begrüßt das russische Engagement. Allerdings besteht es vor allem aus anti-westlicher Rhetorik, denn Belgrad bezieht nur 10 Millionen Dollar Hilfsgelder pro Jahr aus Moskau, gegenüber 190 Millionen von der EU.

3. Tag: Albanien

Die politische Krise in Albanien wird immer schärfer und die Regierungsarbeit ist weitgehend lahm gelegt. Seit Mitte Februar blockiert die Opposition die Regierung in Tirana und fordert vorgezogene Neuwahlen. EU-Kommissar Johannes Hahn sagt dazu:"Die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition ist entscheidend für den Wunsch Albaniens, der EU beizutreten". 

Die Kommission stellt den Beginn von Beitrittsverhandlungen im Prinzip für Ende dieses Jahres in Aussicht. Voraussetzung dafür ist die ausstehende Justizreform und die Überprüfung von Richtern und Staatsanwälten mit Kontakten zur Organisierten Kriminalität. Brüssel befürchtet darüber hinaus demokratische Defizite bei den anstehenden Wahlen. Die Menschenrechtslage in Albanien gilt auf dem Papier als gut. In der Praxis gibt es Kritik unter anderem an den Lebensbedingungen für Roma, Mängel bei Frauenrechten und bei der Meinungs- und Pressefreiheit. Insgesamt gilt ein EU-Beitritt Albaniens zwar als weit entfernt, das Land sei aber auf dem richtigen Weg.

Feier der Unabhängigkeit des Kosovo
Kosovo feiert den 9. Jahrestag seiner Unabhängigkeit - blühende Landschaften sind nicht entstanden Bild: DW/B. Shehu

4. Tag: Kosovo

Das zweitkleinste Land auf dem westlichen Balkan ist noch kein Beitrittskandidat. Erst im vergangenen Frühjahr wurde ein Assoziierungs-Abkommen vereinbart, das als erster Schritt dazu gilt. Die wichtigste Forderung aus Brüssel ist derzeit, das Grenzabkommen mit Montenegro abzuschließen. Als Lockmittel gegenüber dem Kosovo benutzt die EU vor allem die Visa-Liberalisierung. Das Land sei "nur paar Schritte" davon entfernt, heißt es im Europaparlament. Als Vorbedingung gilt jedoch Fortschritt im Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität. Seit Jahren hilft die EU dem Kosovo beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen, das EULEX-Mandat wurde im vorigen Jahr verlängert. Außerdem sind weiter Soldaten der KFOR Mission zur Sicherung des inneren Friedens stationiert.

Die politische Lage im Kosovo ist extrem polarisiert, im vergangenen Jahr gab es gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition im Parlament. Die Beziehungen zu Serbien sind inzwischen so angespannt, dass Prisztina dem Nachbarland Annexionsgelüste vorwirft. Die ungelösten Konflikte und die Strukturprobleme führen zu wirtschaftlichem Stillstand: Nach wie vor produziert das Kosovo fast nichts - 90% der nötigen Güter werden importiert.