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Politik

Hassparolen auf dem Balkan

23. Februar 2017

Gewalt gegen Minderheiten beginnt in der Sprache. Von Beleidigungen und Hassparolen ist es oft nur noch ein kleiner Schritt zu körperlicher Gewalt. Balkanexperten warnen vor der Verharmlosung von Hate Speech.

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Kroaten stimmen in Referendum für Verbot der Homo-Ehe
"Homosexualität ist keine Wahl, der Hass aber!" - Proteste gegen Homophobie in KroatienBild: STR/AFP/Getty Images

Für die meisten Fußballfans des kroatischen Dauermeisters Dinamo aus Zagreb ist der frühere Clubchef Zdravko Mamic die ultimative Hassfigur. Insbesondere Zagreber Ultras, die 'Bad Blue Boys', hassen den langjährigen Strippenzieher aus tiefstem Herzen. Sie werfen ihm vor, den traditionsreichen und offiziell gemeinnützigen Verein 'übernommen' zu haben, ihn als Familienunternehmen zu führen und als private Geldmaschine zu missbrauchen.

Ihr Hass und ihre Wut schlagen sich in zahlreichen Graffitis nieder. Sehr verbreitet sind Sprüche wie etwa "Mamic, du Affe!" oder "Mamic, du Schwuchtel!", oder auch "Mamic, du Zigeuner!". Manchmal reicht aber auch dies nicht aus: Zagreber Ultras verunstalten Häuserwände auch mit Sprüchen wie "Mamic, du Serbe!"

Rückkehr in die Realität

Hassparolen seien keine neue Erscheinung, meint Cvijeta Senta, Aktivistin des Zentrums für Friedensstudien aus Zagreb: sexistische, rassistische oder nationalistische Schimpfworte und Beleidigungen gehörten längst zum Alltag im jüngsten EU-Land. Früher wurden solche Ausfälle allerdings eher im privaten Raum benutzt.

Rassistischer Missbrauch gegen Mittelfeldspieler Everton Luiz
Der brasilianische Fußballprofi Everton Luiz wurde in Belgrad übelst rassistisch beschimpftBild: Getty Images/AFP/STR

"Neu ist, was in den letzten Jahren mit der Sprache im öffentlichen Raum geschah", sagt Senta. Hier scheint eine Barriere durchbrochen zu sein. "Heute werden politische Gegner und Andersdenkende mit einer enthemmten, hetzerischen und diskreditierenden Sprache überzogen", so Senta. Dies scheine inzwischen Normalität geworden zu sein.

Die Hassparolen beschränken sich nicht auf Kroatien. Auf dem ganzen Westbalkan durchdringt die ohnehin stark präsente diskriminierende Sprache das öffentliche Leben. So wurde kürzlich bei dem Fußballspiel der Belgrader Stadtrivalen 'Partizan' und 'Rad' der dunkelhäutige brasilianische Partizan-Spieler Everton Luiz von Rad-Fans über 90 Minuten hinweg mit Affenlauten und Plakaten rassistisch beleidigt. Dem 28-jährigen Spieler liefen nach Abpfiff Tränen über das Gesicht. Überrascht haben die Beleidigungen kaum jemanden: Partizan-Trainer Marko Nikolic stellte nach dem Spiel frustriert fest: "Es ist eine Rückkehr in die Realität des serbischen Fußballs."

Das Phänomen ist keinesfalls auf die Fußball-Szene begrenzt. So wurde neulich der Oscar-Preisträger Jamie Foxx, der im kroatischen Dubrovnik für seinen neuen Robin-Hood-Film vor der Kamera steht, bei einem Abendessen von zwei Männern wegen seiner Hautfarbe auf das Übelste beschimpft.

Kroatien Ustascha Graffiti in Zagreb
"Za dom spremni"/Für das Vaterland bereit" - das Graffiti ist ein berüchtigter Ustascha-Spruch aus dem Zweiten WeltkriegBild: DW/Z. Arbutina

Ein europäischer Trend

"Die sprachlichen Ausfälle auf dem Westbalkan haben nach Ansicht von Johanna Deimel von der Südosteuropa-Gesellschaft aus München stark zugenommen. "Die Westbalkanländer sind trotz der Annäherung an die EU bei der Umsetzung der rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien nicht sehr weit gekommen", erklärt die Balkanexpertin. Die Frustration über die schwindende EU-Perspektiven und die oft aussichtslose wirtschaftliche Lage sei groß und die Spannungen in der Gesellschaft wüchsen.

Die Entwicklung passe zu dem europaweiten Trend und werde durch diesen weiter verstärkt. Denn auch in anderen Ländern der EU, wie etwa in Frankreich, Ungarn, Polen oder in den Niederlanden, würden durch rechte Parteien liberale Demokratien infrage gestellt, Nationalismus werde stärker und Slogans von einem angeblich dekadenten Westen machten die Runde. "Auch auf dem Westbalkan finden solche Standpunkte viele Unterstützer", sagt Deimel.

Verharmlosung des Hasses

Besonders besorgniserregend findet Expertin Deimel die offene Beschimpfung und Beleidigung ethnischer Minderheiten. Sogar die schon längst zu überwunden geglaubte martialische Sprache sei wieder zurück: man spricht wieder vom Krieg und von den Grenzen, die es zu verschieben gelte. "Das ist brandgefährlich", warnt Deimel, und erinnert daran, dass "der Krieg nicht von alleine entsteht, sondern vorbereitet wird - teilweise auch in der Sprache."

Friedensaktivistin Cvijeta Senta macht für diese Entwicklung staatliche Institutionen mitverantwortlich. In der Gesetzgebung seien zwar "hate speech" und "hate crimes" als Straftaten vorgesehen und sollten strafrechtlich sanktioniert werden, in Wirklichkeit aber verharmlose und ignoriere man sie weitgehend.

"Auf der einen Seite führt dies dazu, dass sich die angegriffenen Menschen bedroht und unwillkommen fühlen. Andererseits werden Menschen dadurch zur Gewalt angestachelt. "Wenn man jemanden als Serben oder Zigeuner diskreditiert und zur unerwünschte Person erklärt, ist es nicht mehr weit, dass jemand sie dann auch versucht, zu beseitigen", sagt Senta.

Kroatiens Schatten der Vergangenheit

Unter der Oberfläche...

Die Zivilgesellschaft will das nicht hinnehmen. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen in der Region engagieren sich im Kampf gegen "hate crimes", decken die Fälle von sprachlichem Hass auf und zeigen sie bei Behörden an. Oft werden sie dabei selber marginalisiert oder angefeindet: "Menschen, die sich trauen, gegen Hassparolen vorzugehen, werden oft alleine gelassen oder selbst diffamiert", warnt Deimel. Dadurch droht auch diese kleine Stimme zu verstummen.

Für Aktivistin Cvijeta Senta wirkt sich auch die schwindende EU-Beitrittsperspektive für Westbalkanländer negativ aus. "Ohne Kontrolle von außen, schwindet der Zwang, sich anders zu verhalten." Unter der Oberfläche des kultivierten Verhaltens werde die hässliche Fratze von Sexismus und Rassismus sichtbar.