Türkischer Chefredakteur Dündar tritt zurück
15. August 2016In einer Kolumne in "Cumhuriyet" kündigt der 55-jährige Journalist zudem an, er werde sich nach seiner Verurteilung zu knapp sechs Jahren Haft vorerst nicht der türkischen Justiz stellen. Dündar wird derzeit in Deutschland vermutet.
Lange Haftstrafen
Dündar und der Leiter des"Cumhuriyet"-Büros in der türkischen Hauptstadt Ankara, Erdem Gül, waren im Mai zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden. Sie wurden für schuldig befunden, in ihrer Zeitung geheime Dokumente veröffentlicht zu haben, die türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien im Jahr 2015 belegen sollen.
Da die Journalisten Berufung eingelegt haben, befinden sie sich noch auf freiem Fuß. Ihnen droht zudem ein weiteres Gerichtsverfahren wegen angeblicher Unterstützung einer Terrororganisation.
In seiner Kolumne kritisiert Dündar, die Regierung missbrauche den nach dem gescheiterten Putsch verhängten Ausnahmezustand, um die Justiz zu kontrollieren. "Einer solchen Justiz zu trauen wäre, als ob man seinen Kopf unter eine Guillotine legt." Da er keinen fairen Prozess erwarten könne, werde er zunächst nicht in die Türkei zurückkehren, "zumindest solange der Ausnahmezustand nicht aufgehoben wird", schreibt Dündar.
Preis des PEN für die Journalisten
Ende Juli hatte die deutsche Sektion der Schriftstellervereinigung PEN angekündigt, Dündar und sein Kollege Gül würden für ihren Einsatz für die Meinungsfreiheit mit dem Hermann-Kesten-Preis ausgezeichnet. Sie stellten sich vehement gegen den Kurs des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, der die Türkei zu einem autokratischen System umbaue, so das PEN-Zentrum Deutschland in Darmstadt.
Verliehen werden soll der mit 10.000 Euro dotierte Preis am 17. November. Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche zeichnete Dündar mit dem Preis "Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen" aus.
Razzien in Gerichtsgebäuden
Die türkische Regierung geht derweil weiter mit großer Härte gegen mutmaßliche Beteiligte des gescheiterten Umsturzversuches vor. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Dogan durchsuchten Polizeibeamte drei Gerichtsgbebäude in Istanbul. Bei den Razzien sollten Haftbefehle gegen 173 Staatsanwälte und andere Justizangestellte vollstreckt werden. Den Beschuldigten werden Verbindungen zu dem islamischen Prediger Fethullah Gülen zur Last gelegt. Die türkische Regierung macht den im US-Exil lebenden Prediger für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich.
wl/su (dpa, afp)