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"Skandalöses" Urteil gegen Journalisten

7. Mai 2016

Die Verurteilung von zwei regierungskritischen Journalisten in der Türkei stößt in Deutschland auf Kritik. Einer der beiden Verurteilten fordert mehr Druck der Bundesregierung auf die Türkei.

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Türkei Prozess gegen kritische Journalisten Can Dunda
Bild: Reuters/O. Orsal

"Mit diesem skandalösen Urteil hat die türkische Justiz ihre völlige Geringschätzung für die Pressefreiheit unmissverständlich klargemacht", kritisierte Christian Mihr, Geschäftsführer der Organisation "Reporter ohne Grenzen“. Kritische Journalisten würden in dem Land nun erst recht dreimal überlegen, bevor sie das Risiko politisch unerwünschter Veröffentlichungen eingingen.

Nach Ansicht des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) dürfen die Urteile nicht ohne Folgen auf internationaler Ebene bleiben. "Die Schuldsprüche haben drastisch bewiesen, dass das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei mit Füßen getreten wird - allen Bemühungen der türkischen Führung um Visafreiheit zum Trotz." erklärte Frank Überall, Bundesvorsitzender des DJV.

"Urteile zeugen von Rachejustiz"

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). Aus ihrer Sicht hätten die Urteile "die schlimmsten Befürchtungen über den Zustand der Pressefreiheit in der Türkei bestätigt: "Unter Präsident Erdogan verlässt das Land immer deutlicher den Weg von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Richtung Autokratie und Unterdrückung". Die Urteile zeugten von "Rachejustiz". In diese Richtung geht auch die Kritik von "Human Rights Watch". Die Urteile zeigten, "wie Gerichte in der Türkei Präsident Erdogans Kampagne der Rache gegen Kritiker folgen", teilte die Menschenrechtsorganisation mit.

Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Linken-Bundestagsfraktion, fordert einen politischen Kurswechsel im Umgang mit der Türkei: "Das Urteil muss Anlass für die EU und die Bundesregierung sein, ihre Politik mit der Türkei radikal zu ändern."

Die US-Regierung rief die Führung in Ankara dazu auf, "unabhängige und freie Medien zu unterstützen". Dies sei ein zentraler Bestandteil jeder demokratischen, offenen Gesellschaft. Als "Freund und NATO-Alliierter" dränge Washington die Türkei dazu, sich an ihre verfassungsmäßigen Verpflichtungen zu demokratischen Grundprinzipien zu halten, sagte Außenamtssprecher John Kirby.

"Wir werden weiter unsere Arbeit als Journalisten erledigen"

Der Chefredakteur und der Hauptstadtbüroleiter der Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar und Erdem Gül (Artikelbild), waren am Freitag in einem international kritisierten Verfahren zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden. Ein Gericht in Istanbul befand beide der Veröffentlichung geheimer Dokumente für schuldig.

Kritik an der Bundesregierung

Gül hat nach dem Urteilsspruch von der Bundesregierung ein stärkeres Eintreten für die Pressefreiheit in seinem Land gefordert. "Wir erleben einen exorbitanten Abbau der europäischen Rechte", sagte Gül der Zeitung die "Welt". Aber das, was von der Bundesregierung zu hören sei, sei viel zurückhaltender als zum Beispiel die Stellungnahmen der amerikanischen Regierung.

Gül sagte weiter: "Einerseits arbeitet insbesondere die deutsche Regierung beim Flüchtlingsthema mit der Türkei eng zusammen. Andererseits erhebt sie nur sehr leise ihre Stimme, wenn es um europäische Werte wie Meinungs- und Pressefreiheit geht." Ob er und Dündar ins Gefängnis müssten, werde sich nach dem Berufungsverfahren zeigen. Eine Flucht ins Ausland schloss Gül aus, obwohl das Gericht eine Ausreisesperre gegen ihn und Dündar gleichzeitig mit dem Urteil aufgehoben hatte. "Daran habe ich nicht eine Sekunde gedacht. Wir tragen dafür Verantwortung, wie es mit Freiheit und Demokratie in diesem Land weitergeht."

Vor der Urteilsverkündung feuerte ein Angreifer vor laufenden Kameras Schüsse in die Richtung Dündars ab, der jedoch unverletzt blieb. Der Angreifer wurde überwältigt und festgenommen. "Wir werden weiterhin unsere Arbeit als Journalisten erledigen", sagte Dündar nach der Urteilsverkündung. Daran könnten "alle Versuche, uns zum Schweigen zu bringen", nichts ändern.

bri/qu/cgn/wl (dpa,afp)