Regierungskrise in Berlin: Die wichtigsten Fragen
15. Juni 2018Was wollen CDU und CSU?
CDU und CSU, die beiden konservativen Schwesterparteien, streiten heftig um die Asyl-und Flüchtlingspolitik. Und das schon seit Jahren. 2015 entschied Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spektakulär, Flüchtlinge aufzunehmen, die in Ungarn gestrandet waren. Aus Syrien kommend, aus dem Irak, aus afrikanischen Ländern. Eigentlich hätten diese in Ungarn bleiben müssen, denn die Regeln in der EU sehen vor: Asyl müssen die Menschen in dem Land beantragen, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten. Aber seit der Aufnahme der Ungarn-Flüchtlinge ist die Regel in Deutschland quasi außer Kraft gesetzt. Merkel besteht nach wie vor auf dieser vergleichsweise großzügigen Politik, die CSU ist strikt dagegen. Sie sieht in den vielen Flüchtlingen eine Überforderung der Menschen in Deutschland. Dieser Streit trübt das Verhältnis der beiden Parteien seit Jahren. In Bayern sind im Herbst Landtagswahlen, die CSU will sich gegen die immer stärker werdenden Rechtspopulisten von der "Alternative für Deutschland" (AfD) profilieren und ihre absolute Mehrheit verteidigen - mit einem klaren Kurs in der Asylpolitik.
Warum eskaliert die Krise gerade jetzt?
In der neuen Regierung stellt die CSU, die konservative Schwesterpartei von Merkels CDU, die es nur in Bayern gibt, den Innenminister. Horst Seehofer heißt er, und er hat jetzt einen Plan vorgelegt, der exakt den zentralen Streitpunkt zwischen der CSU und der CDU aufnimmt. Er will künftig Asylbewerber nicht mehr ins Land lassen, die zuvor schon in anderen EU-Ländern europäischen Boden betreten haben. Wie das praktisch umgesetzt werden kann, ist völlig offen. Im Grunde müssten etwa an der Grenze zu Österreich die Kontrollen stark ausgeweitet werden, was zurzeit nicht der Fall ist. Aber um die praktischen Folgen von Seehofers Plan geht es im Augenblick weniger. Entscheidend ist: Seehofer stellt sich gegen Merkel und will seinen Plan notfalls ohne die Zustimmung der Kanzlerin umsetzen, die aber quasi seine Chefin ist. Das kann sich Merkel nicht bieten lassen. Denn in zentralen politischen Fragen geschieht, was die Regierungschefin sagt. Das Zauberwort dazu heißt: Richtlinienkompetenz.
Zerbricht womöglich sogar die Regierungskoalition?
Vieles ist jetzt denkbar. Merkel kann Seehofer nicht direkt hindern, seinen Plan umzusetzen, denn die Grenzsicherung fällt in dessen Zuständigkeit. Aber sie könnte ihn entlassen. Alle Beobachter sind sich aber sicher: Dann wäre die Regierung am Ende, die CSU würde die Koalition verlassen. Merkel kann auch im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, die Koalition also quasi zwingen, ihrem Kurs und nicht dem von Seehofer zu folgen. Verliert sie eine solche Vertrauensfrage, würde es Neuwahlen geben. Merkel selber versucht vor allem, Zeit zu gewinnen. Sie fordert, erst den EU-Gipfel in zwei Wochen abzuwarten, der sich auch mit der Asylpolitik befasst. Dort will sie versuchen, eine Lösung mit allen EU-Staaten zu finden. Aber es ist wenig wahrscheinlich, dass ihr das gelingt. Am Freitag gab es zumindest erste Stimmen aus der CSU, die signalisierten, dass Merkel diese 14-Tage-Frist doch noch eingeräumt werden könnte.
Fällt die Union aus CDU und CSU auseinander?
Es gibt natürlich auch noch einige weniger wahrscheinliche Szenarien. So besitzen CDU und CSU eine gemeinsame Fraktion im Bundestag, und es gibt Stimmen, diese Gemeinschaft wegen des Streits aufzukündigen. Atmosphärisch wäre das schlimm für die Konservativen, aber praktisch hätte das wohl nicht automatisch zur Folge, dass die Koalition zerbricht. Einige über die CSU erzürnte CDU-Politiker überlegen überdies sehr laut, dass die CDU künftig auch in Bayern antritt, dort Ortsverbände gründet und quasi als Konkurrent der CSU auftritt. Das wäre extrem gefährlich für die CSU, deren Hausmacht in Bayern der wichtigste politische Machtfaktor ist.
Was macht eigentlich die SPD?
Moment, er gibt doch noch einen Regierungspartner, die SPD? Die steht am Rande des Konflikts, ruft zur Mäßigung auf und betrachtet das Geschehen entsetzt. Denn sie fürchtet nichts so sehr wie mögliche Neuwahlen. In den Umfragen kam sie zuletzt nur noch auf 16 Prozent, noch vier Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst.