Regierung: Wirtschaft wird deutlich schrumpfen
11. Oktober 2023Deutschland braucht für die Erholung von den Energiepreissprüngen im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine mehr Zeit: Die Bundesregierung senkte am Mittwoch ihre Konjunkturprognose und rechnet nun für dieses Jahr auch mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung. Vermutlich wird Deutschland 2023 damit als einziger großer Industriestaat nicht wachsen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach in Berlin von "konjunkturellen Schwierigkeiten". Er nannte als Gründe Nachwehen der Energiepreiskrise, die notwendige Inflationsbekämpfung der Europäischen Zentralbank und das Schwächeln wichtiger globaler Wirtschaftspartner. "Auch gibt es geopolitische Konfliktherde, die die Unsicherheit erhöhen. Wir kommen daher langsamer aus der Krise heraus als gedacht."
Habeck sagte außerdem, es müssten Wachstumsprobleme gelöst werden. Es gebe große strukturelle Herausforderungen. Er nannte Probleme wie die überbordende Bürokratie sowie den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel. Die Koalition streitet zudem seit langem über Entlastungen von Unternehmen, die über - im internationalen Vergleich - hohe Strompreise klagen. Habeck will einen staatlich subventionierten Industriestrompreis, der aber innerhalb der Koalition umstritten ist.
Nächstes Jahr Land in Sicht
Konkret rechnet die Regierung nun - statt bisher einem Plus von 0,4 Prozent - mit einer um 0,4 Prozent schrumpfenden Wirtschaftsleistung. 2024 und 2025 soll es dann wieder Wachstumsraten von 1,3 und 1,5 Prozent geben. Zum Vergleich: 2022 waren es noch 1,8 Prozent.
Grünen-Politiker Habeck erwartet noch ein schwaches drittes Quartal 2023, danach aber eine Verbesserung vor allem im nächsten Jahr. Impulse dürften dabei vom privaten Konsum ausgehen - angesichts anziehender Löhne und eines robusten Arbeitsmarktes. Im ersten Halbjahr 2023 seien die Nominallöhne so kräftig gestiegen wie zuletzt im Jahr 2008.
Bei der hohen Inflation rechnet die Regierung mit einer spürbaren Entspannung. Nach einer Teuerungsrate von 6,1 Prozent in diesem Jahr werden 2024 und 2025 Werte von 2,6 und 2,0 Prozent prognostiziert. Zwei Prozent strebt die Europäische Zentralbank (EZB) als ideales Niveau für die Euro-Zone an.
"Stimmung ist nicht gut"
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben, sagte zur Prognose der Regierung: "Die Stimmung in der Wirtschaft ist alles andere als gut. Es fehlt weiterhin das Signal zum Aufbruch." Hohe Energiepreise, Unsicherheit über die zukünftige Energieversorgung, hohe Steuer- und Abgabenbelastung, Bürokratie, Fachkräftemangel und schleppende Weltkonjunktur belasteten die Geschäfte. "Zwei von fünf Industriebetrieben stellen wegen der hohen Energiepreise hierzulande sogar Investitionen zurück." Der Krieg in der Ukraine und der neu entflammte Konflikt im Nahen Osten seien zusätzliche Belastungen.
dk/hb (afp, dpa, rtr, DIHK)