Zwischen Anspruch und Anfeindung
24. August 2016So viel ist klar, der Weg zum Sympathieträger der Bundesliga führt vorerst nicht über Leipzig. Vielmehr wird sich Aufsteiger RB Leipzig in seiner ersten Saison im deutschen Fußball-Oberhaus wohl an heftige Anfeindungen der Fans gegnerischer Mannschaften gewöhnen müssen. Ganz so drastisch wie am vergangenen Wochenende beim Pokalspiel in Dresden dürften sie jedoch nicht ausfallen. Dort hatten Dynamo-Anhänger während des Spiels einen abgetrennten Bullenkopf in den Innenraum geworfen. "Feindselige Chaoten werden niemals den Weg von RB Leipzig vorgeben", verkündete Vorstandschef Oliver Mintzlaff trotzig und verwies auf eine Studie, nach der sich die Imagewerte des sächsischen Klubs seit Sommer 2015 deutlich verbessert haben: "Das unterstreicht, was wir seit Monaten sagen und spüren: Wir sind längst salonfähig."
Mateschitz: "Philosophie gibt den Weg vor"
Nicht ganz grundlos haftet den Leipzigern der Ruf des Retortenklubs an. Gerade einmal sieben Jahre ist es her, dass RB Leipzig aus der Taufe gehoben wurde. Der österreichische Milliardär Dietrich Mateschitz, der sein Vermögen mit dem Brause-Konzern Red Bull gemacht hat, erwarb damals das Startrecht des SSV Markranstädt aus der Oberliga Nordost - der damals vierthöchsten Spielklasse. Am 19. Mai 2009 wurde RB Leipzig gegründet, wobei die Initialen offiziell nicht für Red Bull stehen, sondern für RasenBallsport, weil die Satzung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) eine Namensgebung zu Werbezwecken verbietet. Mateschitz pumpte im Lauf der Zeit Millionenbeträge im dreistelligen Bereich in den Verein. Nach sieben Jahren steht Leipzig in der Bundesliga. "Der Weg zum Erfolg ist unsere Philosophie, nicht das Geld", sagt Mateschitz.
Keine Transfers à la Götze
In diesem Sommer haben die Leipziger bisher rund 27 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben. Für 15 Millionen kam Naby Keita. Der 21 Jahre alte Mittelfeldspieler aus Guinea war auch von europäischen Topklubs umworben worden. Zehn Millionen Euro investierte RB Leipzig für den 20 Jahre alten Ex-Stuttgarter Timo Werner. Sportdirektor Ralf Rangnick, der den Verein als Trainer in die Bundesliga geführt hat und sich jetzt wieder den Managementaufgaben widmet, setzt auf junge Talente. Im Herbst 2015 eröffnete RB Leipzig ein hochmodernes Leistungszentrum, dessen Bau 33 Millionen Euro verschlang. Dort sollen die Fußball-Rohdiamanten geschliffen werden.
Hasenhüttl sieht "viel Luft nach oben"
Auch mit dem neuen Trainer Ralf Hasenhüttl traf der Verein eine eher unspektakuläre Personalie. Wie Rangnick gilt auch der Österreicher als jemand, dem es weniger um Schlagzeilen als um ein klares Konzept geht. Innerhalb von anderthalb Jahren machte der 49-Jährige den FC Ingolstadt vom Zweitliga-Schlusslicht zum Aufsteiger und hielt mit dem Verein in der vergangenen Saison die Klasse. Nach dem bitteren Pokal-K.o. in Dresden schlug Hasenhüttl Alarm: "Eines kann ich versprechen: In der Bundesliga wird es nicht leichter für uns. Wir haben noch viel Luft nach oben."
Meister vor dem 80. Geburtstag des Mäzens?
Die etablierten Bundesligisten blicken mit einer Mischung aus Neugier und Respekt auf den Neuling aus Ostdeutschland. "Ich denke, es ist zuallererst der eigene Anspruch der Leipziger, sich relativ zügig im oberen Tabellendrittel zu etablieren", sagt Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc. "Natürlich ist ihnen das auch zuzutrauen." Christian Heidel, Sportvorstand des FC Schalke 04, geht sogar noch weiter: "Spätestens im zweiten Jahr spielt Leipzig oben mit." Vereinsinhaber Dietrich Mateschitz macht keinen Hehl daraus, dass RB Leipzig nach seiner Vision eines nicht allzu fernen Tages auch international spielen soll. Er wolle vor seinem 80. Geburtstag die Meisterschale hochhalten, hat Mateschitz einmal gesagt. Jetzt ist er 72 Jahre alt.