Europa-League-Quali als Saisonvorbereitung
25. Juli 2018Platz sechs ist nach den Abstiegsrängen der wohl unbeliebteste Rang, auf dem ein Verein in der Bundesliga am Ende der Saison landen kann. Es bedeutet zwar, dass man für das internationale Geschäft qualifiziert ist, aber auch, dass man durch eine quälend lange Qualifikation gegen unbekannte und nicht besonders attraktive Gegner muss. Immerhin überspringt der Sechsplatzierte der Bundesliga die erste Runde der Quali, aber es gilt jeweils die Hin- und Rückspiele der zweiten und dritten Runde zu überstehen - und dann warten noch die Playoffs. Erst danach steht man in der Gruppenphase.
Und das über fünf Wochen vor dem Bundesliga-Start, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die deutschen Vereine gerade erst in den Trainingslagern befinden und so die Vorbereitungszeit erheblich gestört wird und die Kaderplanung noch nicht mal abgeschlossen ist. So fehlen bei RB Leipzig am Donnerstag gegen den schwedischen Klub BK Häcken (Anpfiff um 18.30 Uhr MESZ) die WM-Fahrer Timo Werner, Emil Forsberg und Yussuf Poulsen. Der Schweizer Yvon Mvogo ist bereits zurück in Leipzig. Auf ein Saisonziel will sich RB-Trainer Ralf Rangnick deshalb derzeit nicht festlegen lassen: "Erstmal müssen wir komplett werden, wir hoffen ja noch auf zwei, drei Neuzugänge." Zudem fehlen vier Profis verletzungsbedingt. "Dass wir aber den einen oder anderen Tabellenplatz besser abschneiden wollen als letzte Saison, ist auch klar", sagt Rangnick.
Ein guter Einstieg in die neue Spielzeit ist deshalb sehr wichtig. Der schwedische Klub BK Häcken, der 2012 Vizemeister und 2016 Pokalsieger wurde, ist bereits seit April im Ligabetrieb und hat schon 21 Pflichtspiele hinter sich. Trotzdem ist Leipzig der große Favorit. "Wir wissen, dass es nur an uns liegt, ob wir die nächste Runde erreichen", so Rangnick. Vorstandschef Oliver Mintzlaff fordert die richtige Einstellung, um den Einzug in die Gruppenphase nicht zu gefährden: "Ab dem Achtelfinale ist das ein richtig spannender Wettbewerb." Das wäre aber, wenn überhaupt, erst im März nächsten Jahres.
Mit Tempo, Tiefe und Toren
Immerhin geht es auch um Geld, wenn auch nicht annähernd so viel wie in der Champions League. Aber die UEFA hat in dieser Saison den Europa-League-Geldtopf um 110 Millionen auf 510 Millionen Euro aufgestockt. Im Optimalfall wären für den Rasenballverein mehr als 19 Millionen Euro drin. Der ganze Aufwand lohnt sich jedoch nur, wenn mindestens die K.o.-Phase erreicht wird. Deshalb versucht Coach Rangnick seit zwei Wochen, den Profis die RB-Spielphilosophie einzuimpfen: überfallartiges Tempospiel, starkes Pressing, kein Ballbesitz-Fußball ohne Zug in die Tiefe. "Ohne Tempo und ohne Tiefgang, ohne Hochschalten in den 5., 6., 7. Gang, gewinnst du heute nicht mal mehr gegen Panama oder Südkorea", hatte Rangnick erst kürzlich gesagt.
Eine ähnliche Spielidee vertritt auch der kommende Leipzig-Trainer, Julian Nagelsmann, der ab der Saison 2019/20 den Posten Rangnicks übernehmen wird. Nagelsmann, der derzeit noch den Liga-Konkurrenten TSG Hoffenheim betreut, hatte ein Angebot von Real Madrid ausgeschlagen. "Ich bin in der komfortablen Lage, dass ich erst 30 bin. Wenn meine Trainerkarriere einigermaßen weiter läuft, bietet sich vielleicht später noch einmal die Gelegenheit, einen Verein in dieser Kategorie zu übernehmen", hatte Nagelsmann in einem Interview mit dem Magazin "11 Freunde" gesagt. Und Vorstandschef Mintzlaff betonte: "Fakt ist, dass er viele Angebote hatte und er sich für uns entschieden hat. Und sicher nicht, weil wir ihm das höchste Gehalt geboten haben. Ihn hat unser Verein überzeugt."
sw/sn (mit dpa)