Emporkömmling mit Ambitionen
24. Mai 2019"Wir sind gekommen um zu bleiben, wir gehen nicht mehr weg", sang im Jahr 2005 die deutsche Band "Wir sind Helden". Dieses Motto passt auch auf RB Leipzig zu einhundert Prozent, den bei vielen Fußballfans ungeliebten - ja fast schon verhassten - Retorten-Fußballklub, den es damals noch gar nicht gab. Gerade einmal vor neun Jahren gegründet steht der von Red Bull finanzierte Klub am Samstag gegen den FC Bayern in seinem ersten Endspiel (Anstoß 20:30 Uhr, ab 20:15 Uhr im DW-Livestream).
Der Aufstieg der Leipziger erfolgte stetig und scheinbar unaufhaltsam. Nachdem das Ansinnen von Red Bull gescheitert war, bei einem der Leipziger Traditionsklubs einzusteigen, kaufte man dem fünftklassigen SSV Markranstädt vor den Toren Leipzigs das Startrecht für die Oberliga Nordost ab und RB Leipzig war geboren. 2014 stieg der Klub bereits in die 2. Bundesliga auf, seit 2016 spielen die "Roten Bullen" in der Bundesliga. Dabei machten sie gar nicht lange in der Akklimatisierungsphase Halt, sondern qualifizierten sich als Aufsteiger gleich für die Champions League, im zweiten Jahr für die Europa League und in der gerade abgelaufenen Saison wieder für die Königsklasse.
Neulinge gegen Titelhamster
"Wir haben neben Dortmund einen zweiten Feind, den wir jetzt endlich wieder attackieren können", sagte Uli Hoeneß schon im November 2016, kurz nachdem er als Bayern-Präsident wiedergewählt worden war. Zwar relativierte er seine etwas drastische Aussage später und sprach statt von "Feinden" nur noch von "Rivalen", doch hatte er schon damals erkannt, dass die Leipziger neben den Dortmundern die Mannschaft sein würden, gegen die der FC Bayern sich künftig durchsetzen muss. Nun gibt es diese Konstellation erstmals in einem direkten Duell im Pokalendspiel.
Die Ausgangslage der beiden Teams ist dabei komplett unterschiedlich: Der Bayern-Kader quillt an erfahrenen Spielern fast über. Etliche mehrfache deutsche Meister und DFB-Pokalsieger sind dort versammelt, einige waren sogar beim Gewinn der Champions League und des Weltpokals im Jahr 2013 schon dabei. Mit Manuel Neuer, Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels stehen vier Weltmeister von 2014 im Aufgebot.
Für die Leipziger ist dagegen das Bestreiten eines Endspiels absolutes Neuland. Keiner der Spieler stand zuvor im Berliner Olympiastadion beim DFB-Pokal-Endspiel auf dem Rasen. Am nächsten dran war Kevin Kampl, der 2015 mit Borussia Dortmund das Finale gegen den VfL Wolfsburg erreichte, im Finale aber wegen einer Gelb-Rot-Sperre fehlte. "Wir sind die jüngste Bundesliga-Mannschaft, haben keine Finalerfahrung. Aber wir haben die Qualität und Mentalität, um zu gewinnen", sagte Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer dem Onlineportal Sportbuzzer: "Für uns alle ist es das größte Spiel unserer Karriere." Ein Fakt, der bei den Leipzigern zu einer Extra-Motivation führen könnte.
Außerdem ist es das letzte Spiel für Interimstrainer Ralf Rangnick, der nach der Saison Julian Nagelsmann Platz machen wird. Sabitzers Teamkollege Konrad Laimer möchte daher mit einem Sieg gegen die Bayern vor allem den scheidenden Trainer beschenken, der wieder auf den Posten des Sportdirektors wechselt: "Unser Trainer hat in dieser Saison eine großartige Leistung gezeigt", sagte Laimer dem Nachrichtenportal t-online.de: "Die ganze Mannschaft wird alles für ihn geben."
Rangnick: "Viele werden uns die Daumen drücken"
Sollte es tatsächlich so weit kommen, dass RB den Titel holt, wäre das eine herbe Schlappe für den FC Bayern, da er die Saison dann "nur" mit dem Meistertitel beenden würde. Auch dürften sich die ohnehin schon heißen Diskussionen um die Zukunft von Trainer Niko Kovac wieder verschärfen. Die Bayern stehen also unter Druck, Leipzig geht sein erstes Finale relativ gelassen an. "Ich kann mir vorstellen, dass uns so viele Menschen wie noch nie in einem Spiel die Daumen drücken werden", sagte Rangnick und setzte dabei darauf, dass zumindest 50 Prozent der Fußball-Fans in Deutschland nicht schon wieder einen Titel nach München gehen sehen wollen.
Für Rangnick, der bei RB von Anfang in verschiedenen Positionen mit dabei war, wäre es eine Art Krönung der vergangenen neun Jahre: der erste Titel - und wenn es nach Rangnick und Red Bull geht, der erste Titel von vielen, die noch kommen sollen. Dabei sind Pokalsieger aus Leipzig nichts völlig Neues im deutschen Fußball: 1936 gewann der VfB Leipzig den Tschammer-Pokal, den Vorläufer des DFB-Pokals. Der 1966 gegründete Nachfolge-Verein 1. FC Lokomotive Leipzig holte in der DDR viermal den FDGB –Pokal (1976, 1981, 1986 und 1987) und stand drei weitere Male im Endspiel (1970, 1973, 1977).
Wie es sich anfühlt Pokalsieger zu werden weiß Kampl übrigens, obwohl sein BVB vor vier Jahren gegen Wolfsburg verlor. 2014 durfte er den Cup nach gewonnenem Finale in die Höhe stemmen. In Österreich, nach einem Sieg mit Red Bull Salzburg gegen St. Pölten.