Ratten bringen Gauner zur Strecke
27. März 2018Ein Trainingslager, tief im Herzen Tansanias - hier wird eine Elitetruppe für den Kampf gegen Kriminelle gerüstet. Am Ende der Ausbildung werden agile Schnüffler stehen, perfekt vorbereitet, unbestechlich, den Feind immer vor der Nase.
Die knapp ein Kilogramm leichten Ermittler nehmen ihren Job wirklich ernst. Ihr Training in der Stadt Morogoro, westlich von Daressalam hat es in sich. Doch die Riesenhamsterratten hier haben auch jeden Grund bei der Sache zu sein.
Dafür sorgen Bananen, Erdnussbutter und andere leckere Kleinigkeiten, mit deren Hilfe die Nager lernen, auf Schiffen illegale Waren und Gegenstände zu erschnüffeln. Dabei geht es vor allem um Holz und Tierprodukte, die von Afrikas großen Häfen aus in die weite Welt, nach Europa und Asien verschifft werden.
Die schärfste Waffe der Nager ist ihr ausgezeichneter Geruchssinn. Als weiteres Hilfsmittel könnte ihnen bei der Arbeit auch eine kleine Kamera auf den Kopf geschnallt werden. Im Prinzip können die Hamsterratten alles mögliche erschnüffeln, selbst Sprengstoff und Krankheiten bei Menschen. Es kommt eben auf das richtige Training an - und die richtige Größe.
Anders, als ihr Name vielleicht vermuten lässt, sind Riesenhamsterratten sehr wendig und flexibel. Anders als Spürhunde können sie sich selbst durch sehr enge Räume quetschen, etwa in volle Schiffscontainer. Hier sollen sie durch Ritzen und Spalten hindurch Holzsorten identifizieren, die nicht geschlagen werden dürfen und neben anderen legalen Sorten in den Containern liegen könnten.
Helfer im Kampf gegen Nashorn-Wilderei
Denkbar ist auch, dass die Kleinschnüffler in Zukunft geschmuggeltes Nashorn identifizieren. Eine große Aufgabe - hatte doch die südafrikanische Umweltministerin Edna Molewa Anfang des Jahres erklären müssen, dass 2017 mehr als 1000 Nashörner in ihrem Land gewildert wurden. Es war das fünfte Mal in Folge, dass es solche Zahlen gab.
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In Morogoro haben Vorfahren der aktuellen Schnüfflergeneration schon ihren Spürsinn an Landminen bewiesen. Sie haben in einem Projekt der belgischen Organisation Apopo sogar Tuberkuloseerkrankungen erkannt. Auf diesen Erfolgen soll nun aufgebaut, die Palette der erschnüffelbaren Dinge vergrößert werden. Am Ende geht es um nicht weniger, als internationalen Verbrecher-Syndikaten das Handwerk zu legen.
Milliardenschwere Umweltverbrechen
Studien der Polizeiorganisation INTERPOL und der Vereinten Nationen zufolge setzten länderübergreifende, illegale Geschäfte im Umweltbereich zwischen 56 und 170 Milliarden Euro im Jahr um. Darin enthalten ist der Handel mit unerlaubt geschlagenen Hölzern, Tierprodukten, illegale Fischerei, Bergbau ohne Legitimation und das Verklappen von Umweltgiften.
Vor knapp einem Jahr hat deshalb der Endangered Wildlife Trust aus Südafrika angekündigt, mit der NGO Apopo zusammenzuarbeiten. Dabei sollte es um das Aufspüren von illegal gefangenen Schuppentieren und das Erkennen von Holzproben gehen. Ein Job für die Hamsterratten - die Einsatztruppe wurde ins Leben gerufen.
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Etliche der Ratten hätten inzwischen die erste Phase ihres anspruchsvollen Trainings absolviert, sagt Cindy Fast von Apopo. Allerdings habe es Verzögerungen gegeben, so die Leiterin des Testlabors in Morogoro, hauptsächlich wegen rechtlicher Hürden beim legalen Beschaffen von Pangolin-Schuppen für das Training.
Nichtsdestotrotz seien die Ratten gut dabei. Sie könnten inzwischen Afrikanisches Ebenholz von 18 Gerüchen unterscheiden, die normalerweise verwendet würden, um das Aroma von Tropenholz im Transport zu verschleiern - Kaffeebohnen zum Beispiel oder Textilien.
Rattenunterricht
Wie aber bringt man einer Riesenhamsterratte bei, einen gesuchten Gegenstand zu identifizieren und gleichzeitig noch bei einem menschlichen Betreuer Alarm zu schlagen? Hierbei kämen die Bananen und die Erdnussbutter ins Spiel, erklärt Fast.
Wenn die Ratten mit dem Training beginnen, sind sie noch sehr jung. Schon als Babyratten werden sie über einen Zeitraum von ein oder zwei Wochen an den Menschen gewöhnt. Wenn sie sechs Wochen alt sind, kommen sie komplett in die Obhut der Trainer.
Am Anfang der Ausbildung steht das sogenannte "Klicker-Training". Dabei sollen die kleinen Nager lernen, ein Klickgeräusch mit dem Erhalt eines Leckerbissens zu verbinden. Der Trainer drückt einen metallischen Gegenstand, ein Klicken ertönt, die kleine Ratte bekommt etwas Leckeres zugesteckt.
Die Trainer beobachten die Ratten dabei sehr genau. Sie flitzen durch eigens dafür konzipierte Vitrinen. In diesen Vitrinen befindet sich ein langes Metalltablett mit 10 separaten Fächer, in denen sich verschiedene Zielgegenstände befinden, die es zu identifizieren gilt. Kleine Löcher im Tablett erlauben es den Ratten, eine gute Nase voll des Dufts zu atmen, den sie erkennen sollen.
Am Anfang befinden sich Zielgegenstände nur in einigen der 10 Fächer, darunter auch Proben von Pangolin-Schuppen und Edelhölzern.
"Das Training der Ratten läuft nach einem standardisierten Lern- und Verhaltensprinzip, sie werden mit einer positiven Erfahrung bestärkt", erklärt Fast. "Für unsere Ratten besteht diese positive Erfahrung in einer leckeren Futterbelohnung."
Um diese Belohnung zu verteilen, gibt es in den Glaskäfigen eine kleine Öffnung, durch die der Trainer den Leckerbissen mittels einer Kanüle an seine Schüler übergeben kann.
"Sobald sich die Ratten mit dem Klickgeräusch zuverlässig dem Futterloch nähern, beginnt das eigentliche Training", so Fast weiter. "Wir führen nach und nach Gerüche in die Löcher ein, die nicht dem Zielgeruch entsprechen. Die Ratten halten anfangs also ihre Nase über diese Löcher, aber weil sie keine Belohnung dafür bekommen, lernen sie allmählich, sich auf die Gerüche zu verlassen, die auch für ein positives Ergebnis sorgen."
Einige der Nager sind ebenfalls darauf trainiert worden, mit den Pfoten auf dem Boden zu scharren, um so ihrem menschlichen Kollegen ein Zeichen zu geben, sollten sie einen der gesuchten Gerüche gefunden haben.
Bis die Mini-Schnüffler aber tatsächlich auch Nashorn identifizieren können, wird es noch einige Zeit dauern.
"Es ist noch zu früh, um über Zeitpläne für das Erkennen von dieser Art Schmuggelware zu spekulieren", sagt Fast. "Bevor wir uns daran machen können, müssen wir unser Labor endgültig fertigstellen. Dann brauchen wir noch erfolgreiche Tests, die sicherstellen, dass auch alles funktioniert."
Abhängig von diesen Ergebnissen könnten dann Versuche in einer realen Umgebung durchgeführt werden, so Fast. Aber das könne bis zu fünf Jahre dauern. Außerdem müssten die Ergebnisse auch so vielversprechend sein, dass sich eine Ausweitung der Detektivarbeit auch auf andere Wildprodukte lohnen könnte.
Kamerahelme
Die Zusammenarbeit mit Zollbeamten müsse ebenfalls sehr eng sein, sagt Adam Pires, der Sprecher des Endangered Wildlife Trust. Nur so könne man die praktische Anwendung der Mini-Schnüffler auch bei der Suche im Hafen simulieren.
"Bisher haben die Ratten eindrucksvoll bewiesen, dass sie Gerüche erkennen können. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie auch sonst erfolgreich sein werden. Aber wie sie auf Entdeckungen hinweisen können, dass wird die große Herausforderung sein", so Pires.
Ein Vorschlag besteht darin, die Hamsterratten mit kleinen Kameras auszurüsten, die ein Live-Signal senden, das wiederum ein Mensch im Auge behält.
Funktioniert das tatsächlich müssen sich Wildtierschmuggler noch ganz andere Schlupflöcher und Methoden ausdenken, um ihre Spuren zu verwischen.